Miguel Zenón Quartet | 14.02.2003

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Temperamentsausbrüche tragen viele Gesichter. Bei Musikern spanischen Namens sind es oft die Klischees von Kuba und Salsa, Holiday und Tanz.

Doch Miguel Zenón wollte niemals in diesen Topf geworfen werden. Zum einen, weil er aus Puerto Rico stammt und als solcher automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt. Zum anderen, weil ihm Dissonanzen vertrauter sind als jeder Wohlklang, ihm das Abenteuer mehr entgegenkommt als ein Spaziergang. Und weil er Coltranes harschen Klangwelten näher steht als der Scheinidylle des Buena Vista Social Clubs.

Die Tunes des 25-Jährigen heißen nicht nur „Mega“ oder „The Reflex“, sie gleichen auch Gewitterstürmen, mit denen er und seine Combo das Publikum im Neuburger „Birdland“-Jazzclub schlichtweg überrollen. Elektrostatische Entladungen, anschwellende Pegel, dramatische Überhöhungen, Skalenleiter rauf und runter, lichterloh züngelnde Flammen: dies alles bricht aus dem Trichter des Altsaxofons und scheint sogar das steinerne Gewölbe des Hofapothekenkellers zu durchdringen.

Zenón arbeitet körperlich am Altsaxofon, er formt jeden Ton unter Schweißbächen zu einem lebenden Organismus. Der junge Mann, dem viele ein große Zukunft prophezeien, liebt den hymnischen Gestus, das Spirituelle, Weihevolle, und trägt diese Haltung stets wie eine Monstranz vor sich her. Eine treibende, getriebene, aufwallende Musik, die der bohrende, schraubende Pianist Luis Perdomo mit den wildesten Clustersprüngen, die der Bösendorfer-Flügel jemals erdulden musste, auch häufig übers Limit hinaus katapultiert.

Manchmal sind es pure anarchische Freejazz-Wolkenkratzer, dann wieder grandios strukturierte Häuser aus Klang und Form, die auf den kühnen rhythmischen Fundamenten des offensichtlich auf mehreren Ebenen gleichzeitig trommelnden Schlagzeuger Antonio Sanchez sowie des dunkel intonierenden, mitten im Epizentrum ruhenden österreichischen (!) Bassisten Hans Glawischnig bauen.

Die ruhigen Momente bleiben spärlich gesäte Höhepunkte. Wenn Zenóns feiner, forschender Balladenton, der scheinbar noch im Ansatz kein Ziel kennt, pendelt, um dann irgendwo aufzuschlagen, so wirkt der Saxofonist wie ein Dichter, der sich von der Inspiration des Augenblicks zu hoch emotionalen Versen tragen lässt. Der anstrengende Rest: Gischtkronen brausen durchs „Birdland“, pures Adrenalin überschwemmt das Auditorium. Die fordernde, anstrengende, sich einige Male auch verzettelnde Variante des jungen, impulsiven Jazz. Ein lohendes, allemal preiswertes Konzert: Nie zuvor gab es mehr Noten für 15 Euro Eintritt.