Migration Trio + 1 | 02.10.2009

Donaukurier | Bruno Turchet
 

Eigentlich sollte an diesem Abend der 82-jährige Saxofon-Altmeister Red Holloway im Neuburger „Birdland“ spielen, doch der musste krankheitsbedingt absagen. Jazzimpresario Manfred Rehm sorgte schnell für ebenbürtigen Ersatz: Scott Hamilton, der von Pianist Bernhard Pichl, Schlagzeuger Michael Keul und Rudi Engel am Bass begleitet wurde. Technisch versiert, solistisch engagiert und vor allem mit einem groovigen Puls versehen, entwickelten seine eigenwilligen Kompositionen rasch einen unwiderstehlichen Sog.

Vor allem swingend-groovige Stücke wie „I Know That You Know“ oder „Three Little Words“ ließen aufhorchen. Scott Hamilton wurde in den 70er Jahren bewundert wie beargwöhnt, als er sich in der Blüte der Fusion-Ära als profunder Kenner der Jazzstile vor dem Bebop profilierte. In diesen Jahren war er einer der wenigen, der die Tradition des klassischen Tenorsaxofons weiterführte Noch vor der Welle der sogenannten Young Lions mit dem Bannerträger Wynton Marsalis präsentierte Scott Hamilton Stücke, die ihn als kreativen Adepten von Zoot Sims und Ben Webster auswiesen. Hamilton ist immer noch einer der größten lebende Mainstream-Saxofonisten. Das bewies er in Neuburg. Von vielen anderen Saxofonisten ist bekannt, dass sie sehr systematisch an die Musik heranzugehen pflegen. Bei Hamilton – der zur Zeit in Italien lebt – liegt der Fall anders. Was er spielt, beruht auf Intuition. Seine Improvisationen demonstrieren ein Höchstmaß an Spontaneität. Hamilton wurde 1954 in Providence, Rhode Island, geboren. Schon sehr früh behauptete er sich mit seinem wunderbaren Sound und seiner präzisen Phrasierung in der amerikanischen Jazzszene. Seine erste vom Concord-Label veröffentlichte Aufnahme trug den Titel „Scott Hamilton is A Good Wind Who Is Blowing Us N.1“ nach einer schmeichelhaften Rezension von Leonard Feather. Scott stellte seine Vielseitigkeit in den Dienst verschiedenster Formationen, von der kleinen Band bis zum Streichorchester. Im „Birdland“ gab er ein Konzert, von dem man noch lange reden wird.