Was vor ein paar Tagen noch niemand ahnen konnte: Dieses Konzert mit dem amerikanischen Gitarristen Michael Musillami und seiner Band wird für längere Zeit das letzte im Jazzclub unter der ehemaligen Hofapotheke gewesen sein. Denn wie viele Veranstalter bundesweit hat sich nun auch Birdland-Chef Manfred Rehm entschlossen, alle Konzerte bis Ostern abzusagen.
Jazz in Zeiten des Ausnahmezustands? – Eindeutig ja. Die Zahl der Besucher hält sich in Grenzen an diesem Abend und die Musiker, die allesamt aus New York kommen, erzählen, wie ihnen die Behörden bereits bei der Abreise vor einigen Tagen erklärt hätten, dass sie bei der Rückkehr in die Heimat damit rechnen müssten, auf jeden Fall medizinisch getestet und isoliert voneinander überprüft zu werden, vermutlich aber sogar für unbestimmte Zeit in Quarantäne zu kommen. Hut ab vor dem Mut, dass sie sich unter diesen Bedingungen überhaupt in den Flieger nach Europa gesetzt haben.
Und die Musik? – Ja, die gibt es auch. Musillami, der von Kennern der Jazzgitarrenszene durchaus in einem Atemzug genannt wird mit John Scofield und Pat Metheny, aber eben nicht über deren Lobby und somit nicht über deren Bekanntheitsgrad verfügt, hat seine Band „Trio+1“ mit Joe Fonda am Kontrabass, George Schuller am Schlagzeug ins Birdland mitgebracht und zusätzlich als Gast Thomas Heberer an der Trompete. In den Kompositionen Mussilami’s treffen gemächliche Passagen auf hektische Betriebsamkeit. Die verschworene Gemeinschaft des seit 17 Jahren existierenden Trios und der sich ständig auf überaus kreative Weise einmischende „Gast“ an der Trompete, ziehen, zerren und rütteln an den in schöner Eintracht vorgestellten Themen, lassen sie in sich zusammenfallen, bringen sie mit Feuereifer zum Einsturz, ordnen die Einzelteile und fügen sie auf teils fast wundersame Weise neu zusammen. Wie sich am Ende eins ins andere fügt, ist in der Tat in höchstem Maße erstaunlich.
Und hinter jedem einzelnen Stück steckt eine Geschichte. Der Tod eines Schülers Musillami’s bei „For Robert Paris“, die akustische Hommage an seinen Mentor in „D’Iorio“, das verschmitzte „Uncle Pheno’s Garden“ in Erinnerung an seinen Onkel, der dem Beruf des Tresorknackers nachging, und schließlich „June Recovery“, eine von mehreren Kompositionen, die während Mussilami’s Rekonvaleszenz nach seiner erfolgreichen Operation aufgrund eines Gehirntumors entstanden.
Auch die Zugabe am Ende ist mit Be-dacht gewählt. Eine wunderschöne Bearbeitung von „In A Sentimental Mood“, der weltberühmten Komposition Duke Ellington’s, fängt genau die wehmütige Stimmung ein, die nach den Konzert im Birdland herrscht. Es ist erst einmal vorbei. Manfred Rehm plant zwar, pünktlich am 17. April mit dem Gastspiel der schwedischen Posaunistin Karin Hammar, ihrer Band Fab 4 und dem Projekt „Circles” den Konzertbetrieb wieder aufzunehmen, aber ob das auch tatsächlich möglich sein wird, kann heute wohl niemand wirklich einschätzen.