Michael Flügel Quintet feat. Enrico Rava | 22.10.1999

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Ein begeistertes Publikum sorgte am Freitag abend für die richtige Atmosphäre im Birdland Jazzclub bei der Live-CD Aufnahme des Michael Flügel Quartet mit Enrico Rava.

Live-Aufnahmen haben so ihre Tücken; ein „second take“ ist nicht drin. Alles muß auf Anhieb klappen. Dieses Bewußtsein hemmte die fünf Akteure denn auch zunächst. Doch schnell verflog das Lampenfieber, und es stellte sich der Swing ein, ohne den alles nichts bedeutet. Spätestens beim zweiten Stück des Abends, Rava´s Eigenkomposition „Dream for Jessica Tatum“ fließt alles leicht und lässig dahin, ohne aber dabei den Anspruch zu verlassen, daß Neues geschieht: Musik, die überraschend und folgerichtig zugleich ist.

Wäre Italien ein Bundesstaat der USA, Enrico Rava wäre wahrscheinlich ein großer Star. Es gibt wahrlich nicht viele Trompeter, die so kultiviert brillante Technik mit tiefer Ausdrucksstärke verbinden: Exaktes Timing, klarer Sound, rotzige Kraft und gleichzeitig gefühlvolle Wärme zeichnen ihn aus. Da berücken wunderschön gehauchte Klänge (My funny Valentine), die Erdenschwere und Transzendenz in aller Gebrochenheit vereinigen. Dann wieder formt er mit entschiedener Schärfe Ton und Melodie (The way you look tonight), verarbeitet energiegeladen ironische Zitatsprengsel, bringt auf den Punkt, was zu sagen ist.

Mit dem Michael Flügel Quartet präsentierte sich ein bedeutender Teil der Zukunft der deutschen Jazzszene. Flügel selbst zaubert am Piano Klänge und Melodien von stupender Folgerichtigkeit in den Raum, vertrackte Rhythmen und Akkorde, die die Landschaft zwischen Spannung und Entspannung weiträumig ausmessen. Frank Lauber am Altsaxophon setzt seine Läufe in souveränem Zwiegespräch mit Tradition und Moderne überlegt und abgeklärt. Intellektuelle Klarheit und das Gespür für die Magie des Augenblicks leben bei ihm in bester Symbiose. Dietmar Fuhr beeindruckt am Baß durch vollen Klang, soliden Rhythmus, melodiöse Grundlagenarbeit und solistische Klasse.

Das alles wird gekrönt von dem wahrlich phänomenalen jungen Schlagzeuger Dejan Terzic, dessen technisches und mentales Potential ihm eine große Zukunft eröffnet. Mit verrückt groovenden Rhythmen baut er Konstruktionen, deren Stabilität gleichzeitig alle Räume offen halten für Entdeckungsreisen und Ent-Rückungen der ganz besonderen Art.

Die CD-Aufnahme gelang trotz eines kurzzeitigen Stromausfalls in der Pause; die zu erwartende Scheibe wird die bemerkenswerte Musik einer spannenden deutsch-italienischen Zusammenarbeit enthalten.