Die großen Standards, also die Klassiker des Jazz, können etwas harmlos Wohliges haben, selbst wenn sie technisch perfekt gespielt werden. Dieses Risiko eines schönen, aber wenig aufregenden Abends lag beim Auftritt des Klaviertrios Max Greger jr. exakt bei Null. Der junge Greger, der auch schon fast 70 Lenze zählt, der Bassist Markus Schieferdecker und der Schlagzeuger Bernd Reiter rockten den Birdland Keller nach allen Regeln der Kunst.
Diese drei, im Stil durchaus unterschiedlichen Musiker, stellten bei den Standards von Charly Parker, Duke Ellington oder auch bei bei ihrer Version des Friedrich-Hollaender-Songs „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt …“ eine sensationelle Performance auf die Bühne. Max Greger junior holt aus dem Bösendorfer-Flügel alle Klangfarben heraus, die dieses Instrument hergibt – in souveräner, nicht auf Show angelegte Art. Ganz stark in den leisen Tönen, elegant in den halsbrecherischen Läufen und schlagartig präsent, wenn es um den vollen Sound geht.
Gregor junior sitzt konzentriert und gelassen am Klavier, sein inneres Feuer ist jederzeit zu spüren, aber es ist eine anhaltende Flamme, die nicht überschießend auflodert. Greger weiß, mit welch großartigen Kollegen er musiziert, er ist allenfalls princeps inter pares, im Grunde aber Gleicher unter Gleichen, unter Gleichwertigen.
Das gilt für den Klangzauberer Markus Schieferdecker am Bass genauso wie für den Österreicher Bernd Reiter am Schlagzeug. Der beherrscht sein Equipment mit leichter Hand, er streichelt die Trommeln und Becken oft mehr als dass er sie schlägt. Reiter entlockt dem Schlagzeug eine fast melodische Schönheit, obwohl man Melodien darauf gar nicht spielen kann. Als Zugabe bietet er ein Minenspiel, das den Unterhaltungswert des Abends erheblich steigert. Je nach Gesichtsausdruck ahnt man, welche Töne, wie viel Kraft oder Emotion gleich zu hören sein wird. Das ist höchst vergnüglich, weil Reiter nirgends ins Affektierte hineingleitet.
Mit dem Bassisten Markus Schieferdecker kommt eine dritte musikalische Persönlichkeit hinzu, die dieses Trio vollendet. Der Mann aus Nürnberg ist technisch grandios, er spielt die schwersten Stellen, als ob es die leichteste Übung wäre, bei scheinbar simplen Tonfolgen kostet er jede kurze Sequenz aus. Er nimmt nicht sich selbst wichtig, sondern die Musik. So steht eine Band auf der kleinen Birdland-Bühne, die über zwei Stunden die Zuhörer packt und in ihrem Bann hält. Die berühmten Jazz-Standrads blühen in den frischesten Farben auf, beim großen Bass-Solo von Charly Parker, bei Duke Ellingtons „Green Dolpin Sttreet“ oder der Ballade „I can’t believe …“
In der Interpretation des Greger-Trios wirken diese Werke hochspannend, die improvisatorischen Einfälle schaffen eine neue Welt. Die ist komplex, aber stimmig und witzig. Der Mann am Klavier streut manchmal kurze Motive aus ganz anderen Sphären ein, etwa aus dem Lied „Auf Wiedersehn, auf Wiedersehn, ..“, aber eben raffiniert verfremdet. Musikalischer Spaß auf oberstem Niveau.
Exemplarisch dafür mag der Song „Ich bin von Kopf bis Fuß …“ stehen, den Friedrich Hollaender in den 30er Jahren für Marlene Dietrich geschrieben hat. Wie die bekannte Melodie in der Jazz-Trio-Fassung immer wieder und stets etwas anders gefärbt, rhythmisch gebrochen und in wachsender Intensität durch die drei Instrumente wandert, wie ist ein Erlebnis. Anfangs hat man als Zuhörer noch Marlene Dietrich vor dem geistigen Auge, auch im Ohr, aber langsam entschwindet diese Vorstellung und weicht der intellektuellen Freude über dieses Geschenk, das Greger, Reiter und Schieferdecker dem Publikum anbieten.