Immer wieder gibt es selbst für erfahrene Konzertgänger im Birdland Jazzclub in Neuburg bis dato Ungehörtes zu entdecken. Zum Beispiel die höchst außergewöhnliche Kombination von Gitarre und Querflöte. Um dem Auditorium zu beweisen, dass eine Zusammenarbeit auch dieser beiden Instrumente durchaus möglich ist, sitzen an diesem Abend der in Stuttgart lebende italienische Gitarrist Lorenzo Petrocca und die Flötistin Isabelle Bodenseh aus Mainz auf der Bühne des Clubs.
Auch Skeptiker müssen bereits bei der ersten Nummer, João Bosco’s „Incompatibilidade De Genios“, einsehen, dass das Vorhaben trotz der Tatsache, dass ja im Grunde ausschließlich Melodieinstrumente daran beteiligt ist, durchaus funktioniert, selbst dann, wenn Bodenseh mit der C-, der Alt- oder der Bassquerflöte als Begleiterin ihrem Singlenotes spielenden Partner eine zwar notgedrungen akkordfreie, aber dennoch harmonisch tragfähige Basis liefern soll. Sie überbläst, gurrt und surrt, singt in ihr Instrument hinein, atmet mit ihm, es zwitschert und flirrt, es entsteht nach und nach eine ganz eigene Klangwelt, in der John Coltrane’s „Lonnie’s Lament“ und „Bill Evans‘ „Waltz For Debbie“ ebenso ihren Platz haben wie Dizzy Gillespie’s „Birk’s Works“ und Zequinha de Abreu’s Welthit „Tico Tico“, dem sicherlich am leichtesten zugänglichen Stück des Abends.
Ist das Thema der jeweiligen Komposition erst einmal gemeinsam vorgestellt, trennen sich im Mittelteil die Wege der beiden Instrumentalisten, ihre Linien verzweigen und verästeln sich, ruhige Passagen und quirlige Betriebsamkeit wechseln sich ab, die Rollenverteilung zwischen Solist und Begleiter erfolgt meist recht spontan, ständig stehen Petrocca und Bodenseh, die mit diesem Projekt, das sich „Jazz A La Flute“ nennt, bereits seit drei Jahren gemeinsam unterwegs sind, in Blickkontakt, ständig werden Ideen ausgetauscht, die Verständigung erfolgt mittels kleinster Gesten. Und nebenbei haben die beiden auch noch Zeit, mit Sinn für Humor und trockenem Witz durchs Programm zu führen.
Bis auf Petrocca’s Eigenkomposition „Essenza“, die dem brandneuen Album des Duos auch den Titel gab, spielen die beiden ausschließlich Adaptionen, auch Stücke von Chick Corea und Henri Mancini, die man nicht unbedingt erwarten konnte. Aber was ist schon vorhersehbar, wenn man als Hörer soeben vordringt in einen bislang unbekannten musikalischen Kosmos, soeben eine völlig neue Hörerfahrung macht. Inwieweit sich der Einzelne wohlig zurücklehnen und entspannt genießen kann bei diesem außergewöhnlichen Klangbild, muss jeder für sich selbst herausfinden. Das Programm des Birdland hält auch für solcherart persönliche Abenteuerreisen in die Welt des Jazz, in der anscheinend nichts unmöglich ist, immer wieder passende Optionen bereit. Auch darauf gründet sich der hervorragende Ruf des Clubs.