Matthieu Bordenave Trio | 04.06.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Das ist keine Musik für nebenbei. Denn das Programm „La Traversée“, das der französische Tenorsaxofonist Matthieu Bordenave zusammen mit seinen Kollegen Florian Weber am Flügel und Patrice Moret am Kontrabass für das ECM-Label eingespielt hat und nun im Neuburger Birdland zu Gehör bringt, hat viel zu tun mit Farben, die in Klänge übersetzt werden, mit Assoziationen und nicht zuletzt ganz viel mit dem Faktor Zeit.

Das Publikum im Keller unter der ehemaligen Hofapotheke weiß anscheinend ganz genau, auf was es sich an diesem Abend einlässt, denn es spendet keinen spontanen Zwischenapplaus nach besonders gelungenen Sequenzen – obwohl wahrlich Anlass genug bestünde – sondern spürt die Magie des Augenblicks, die tunlichst nicht gestört werden sollte.

Der Titel verrät bereits das Konzept. La Traversée – die Überfahrt. Es geht um den Übergang von zeitgenössischer Musik hin zum Jazz, um ein zwischen Komposition und Improvisation hin und her schwingendes Pendel. Es geht um die Übernahme der Ideen eines Musikers durch seine Kollegen, wobei jeder seiner eigenen Intuition folgt. Es gibt Arrangements, aber keine Verpflichtung, sich jederzeit an sie halten zu müssen. So kann ein Stücke wie „River“ im Konzert durchaus zweimal aufgeführt werden. Weil es sich ständig verändert. Und die dritte und vierte Version – die auf der CD – führen dann wieder in komplett andere Richtungen.

Die Musik, die teilweise so überaus leise, langsam und bedächtig, ja, meditativ anmutet, kommt keinesfalls aus dem Nichts oder ist lediglich ein Hirngespinst Bordenaves. Inspiriert wurde jener vom Werk des Dichters René Char. Er schrieb Gedichte, die von den Farben und Aromen der Provence durchdrungen waren. Nicht umsonst zitiert Bordenave mit den Titeln für seine Kompositionen „Incendie Blanc“, „Chaleur Grise“ oder „Le Temps Divisé“ Zeilen aus dessen Werk.

Das Stück „The Path“ hat sogar mit der Biografie Chars als Aktivist in der französischen Résistance zu tun. Eigentlich ging es in dessen Text gleichen Titels um die Hoffnung auf bessere Zeiten nach dem Krieg. Und was macht – ganz dem Konzept von La Traversée entsprechend – Florian Weber? Er baut spontan Pete Seegers berühmte Hmyne „We Shall Overcome“ in seine Improvisation ein. Er zitiert nicht auf die herkömmliche Art, sondern foltert und quält deren Melodie geradezu, vernichtet sie fast. Dieser Augenblick im Birdland ist geradezu beklemmend. Und doch so wahr. Man sehe sich nur auf dem Globus um.

Nein, das ist keine Musik für nebenbei. Dass am Ende dennoch heftiger Beifall aufbraust und es ohne Zugabe nicht geht, ist ein Zeichen für die Sensibilität und die Offenheit des Publikums, das bereit ist, den Faktor Zeit auch auf sich selbst zu beziehen. Denn es kann ja durchaus ein wenig dauern, um sich im Kosmos des Matthieu Bordenave zu orientieren.