Masha Bijlsma Band feat . Dick De Graaf | 27.10.2000

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Warum europäische Jazzmusiker bis vor gar nicht allzu langer Zeit allenfalls als clevere Plagiatoren durchgingen, weiß heute niemand mehr so genau. Im Zeitalter der musikalischen Globalisierung nehmen die Leute inzwischen auch eine singende Holländerin mit englischen Texten und rasanten Scats wie eben das Riesentalent Masha Bijlsma zunehmend ernst.

Das ist gut so, und vor allem gerecht. In Amerika spielt zwar durchaus noch die Musik, aber in der alten Welt erhält sie die längst überfälligen, neuen Impulse. Das Konzert der 27-jährigen Vokalistin im fast ausverkauften Neuburger „Birdland“-Jazzclub jedenfalls bestätigte diese These eindrucksvoll, wenn es auch die Fans in zwei Lager spaltete.

Die einen waren gekommen, um die mutige Visionärin Masha Bijlsma zu erleben, die seit Beginn der 90er Jahre versucht, mit frischen Konzepten den Staub aus dem Mantel des Jazzgeschichte zu schütteln. Ihre technisch makellose Stimme erfüllt beinahe jeden scheintoten Oldie aus dem „Great Anerican Songbook“ schon nach wenigen Takten mit prallem Leben. Sie würzt Standards mit popartigen Schleifen, Funk-Kieksern und dröhnendem Voodoo-artigen Sprechmelodien, chargiert in Charlie Parkers „Au Privave“ zwischen kontrapunktischen Hornlinien und avantgardistischen Lautmalerien und schneidet sogar bekannten Schmuse-Schiebern ebenso charmant wie radikal die nostalgischen Zöpfe ab.

Die Bijlsma besitzt ein ganz besonderes Timbre, das tief in der Tradition der großen Vokalistinnen ruht, aber gleichzeitig niemals altbacken daherkommt, sie denkt intuitiv in instrumentalen Kategorien, kann sich wenn nötig zurücknehmen und arbeitet hart an einem eigenen Stil. Dieser klingt längst schwärzer, als manches vermeintliche Original aus der Bronx, vor allem, wenn sie düster-faszinierende Themen wie Oscar Browns „Brother, where are you“ intoniert, oder sich in „Zimbabwe“ raubkatzenartig zwischen dem pochenden Bass Gulli Gudmundssons und dem geheimnisvoll schlurfenden Tenorsax von Dick de Graaf entlang schlängelt.

Der andere Teil der Besucher kam erst gegen Ende des Gigs auf seine Rechnung. Von da an bediente Masha Bijlsma nämlich die unausgesprochenen Wünsche nach Laszivität und vokaler Erotik. Mit Hilfe des klug dosierenden Pianisten Rob van den Broeck sowie Vater Dries Bjilsma am Schlagzeug geriet „Lonely Land“ zwar zu einem Statement von ergreifender Fragilität, so als würden ihr das Leben und die Noten zwischen den Händen davonrinnen. Aber gerade die Monk-Interpretationen und ein populistischer Chicago-Blues als Zugabe kamen schlicht zu oberflächlich und ließen die Spannungskurve eines Klasse-Konzertes rapide abfallen.

Doch ein Star von morgen braucht solche Erfahrungen. Masha Bijlsma muß sich nur vollends aus den verlockenden, vermeintlich profitableren Armen des Klischees befreien. Dann steht das Publikum eines Tages auch wie eine Eins hinter ihr.