Martin Wind Trio | 28.04.2023

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Seit über 35 Jahren kennen sich die beiden und nicht nur musikalisch sind sie »Still Friends«, immer noch Freunde, der Bassist Martin Wind und der Saxophonist Peter Weniger. Begonnen haben sie ihre Karriere gemeinsam als Teil der ersten Generation des BuJazzO, und obwohl die Wege seitdem weit voneinander verlaufen sind, der Eine lebt seit Jahr und Tag in New York, der andere in Berlin, haben sie sich doch immer wieder gekreuzt, nicht zuletzt bei der Neuburger Sommerakademie. Das Vertrauen ist geblieben, hat sich gar intensiviert. Das ist in jeder Sekunde dieses bemerkenswerten Konzerts zu spüren, zumal der Dritte im Bunde, Drummer Jonas Burgwinkel, sich in einem derart intimen Setup nicht nur absolut auf Augenhöhe bewegt, sondern auch überaus erfrischende Überraschungsmomente bereit hält und für das prickelnde Perlen in einer wunderbar gereiften Cuvée sorgt.

Vielleicht ist das mit dem Titel der aktuellen CD gemeint: »Gravitiy«, das positive Gewicht, die Relevanz, die einer Mischung aus Vertrautem und noch nicht da Gewesenem entspringt, Erfahrung und Impuls verbindet, Erfahrung und Innovation zur kreativen Seelenverwandtschaft vereint.

Saxophon, Bass und Schlagzeug, das garantiert maximale Transparenz, gibt allen drei Akteuren jede Menge Raum, kennt auf der anderen Seite keine Gnade. Da ist kein Piano, keine Gitarre, kein Harmonieinstrument, das den Hintergrund schraffiert oder gar flächig gestaltet. Nur Linien, Rhythmen, harmonische Folgen und natürlich der je individuelle Sound zählen, wenn das Klavier unbenutzt in der Ecke bleibt. Höchster Anspruch also an die Arrangements und das rechte Maß an Präsenz und Zurückhaltung.

Die Kompositionen kommen den Dreien entgegen, sind auf das luftige Setting zugeschnitten, in lockerem Groove Winds »Still Friends« und Wenigers »Newborn«, funky das einem langjährigen Freund Winds gewidmete »Another Beer, please!« oder Blues-betont wie »The Uninformed Dwarf«, das Peter Weniger als humanitären Kommentar zu Ignoranz der Populisten versteht. Apropos Blues: Neben dem »Last Call Blues« schlicht herrlich, wie Peter Weniger auch »Inga‘s Waltz« im Dreivierteltakt mit dem Hauch der einschlägigen Melancholie streichelt. Und wohl selten kam Beethovens »Pathetique« in derart sensibler Jazz-Interpretation zu Gehör, kaum je Ellingtons »Take The A-Train« in derart gekonnt gestalteter Neufassung.

Weniger, Wind und Burgwinkel kennen ihre Laufwege, nehmen und geben sich gegenseitig Raum, finden immer wieder zur Balance aus Solo und Begleitung auf dem schmalen Grat zwischen zu viel und zu wenig. Dabei zeigt sich Peter Weniger einmal mehr in Neuburg als Meister aller Klassen, sein schier endloses Lungenvolumen verströmt Power ohne Ende, zugleich angereichert durch enorme Sensibilität in jedem Ton. Martin Winds so kraftvoll wie differenziert groovender Bass setzt – gern auch mit dem Bogen – mal beflügelnde, mal erdende Akzente und Jonas Burgwinkels Schlagzeug wartet immer wieder mit filigranen, sehr individuellen Finessen auf. Vielleicht meint »Gravity« ja auch jene Kraft, die den inneren Zusammenhalt prägt und sich unmittelbar dem Publikum mitteilt.