Der Birdland-Keller unter der Hofapotheke genießt in Musikerkreisen schon seit langem den Ruf eines soundtechnischen Elchtests. Nur wer es schafft, die fragile Akustik des Gewölbes zu meistern, der hat die ultimative Reifeprüfung auf dem Weg zur Weltklasse erfolgreich bestanden. Klingt einfach, erfordert aber jede Menge Fingerspitzengefühl und Dosierungsgeschick, eine Fähigkeit, an der sich schon große Namen die Zähne ausgebissen haben. Seit dem Wochenende kommt ein weiterer dazu: Die amerikanische Pianistin und Sängerin Dena DeRose und ihr Quartett gingen im Birdland-Bermuda-Dreieck verloren.
Die erste Faustregel im Keller lautet: Alle überflüssigen Verstärker abdrehen. Die zweite betrifft vor allem Schlagzeuger. Nicht der virile Haudrauf-Drummer spielt sich in Neuburg in die Herzen des Publikums, sondern der behutsame Streichler der Trommelfelle, der Nuancier der Lautstärke und der geschickte Dimmer der Intensität. Eigentlich Dinge, die Hans Braber, seines Zeichens erfahrener Drum-Routinier aus den Niederlanden, der schon unzählige Male im Birdland zu Gast war, kann und kennt. Diesmal jedoch platziert er sein Set nicht hinten im Eck, sondern am vorderen Bühnenrand, und verwendet obendrein grell zischende Becken. Was zur Folge hat, dass Piano und Bass während der ersten Stunde kaum zu hören sind und in der Pause bereits einige Zuschauer das Weite suchen. Mit neuen, dezenteren Becken und einer Justierung des Sounds gerät die zweite Hälfte dann wesentlich angenehmer, verträglicher, Braber und Gitarrist Vincent Koning haben wenigstens einen kleinen Schalldämpfer aufgezogen, der Kontrabass von Jan Voogd ist nun hörbarer und Dena DeRoses Piano versinkt nicht mehr im Dunkel der April-Nacht.
Dass das Konzert dennoch nicht so recht in die Gänge kommen will, liegt auch der Bandleaderin selbst, die aufgrund ihrer schier unendlichen Ansagen ein wenig das Gefühl für Raum und Zeit verliert und den Abend auf eine relativ kräftezehrende Länge ausdehnt. Kurze, knackigere Stücke hätten wohl eine stabilere Brücke zum geduldigen, aufmerksamen Publikum gebaut, wobei sich vor allem ihre eigenen Songs als ein Manko ihrer Performance erweisen. Die 57-Jährige aus Binghamton im Bundesstaat New York, die als Professorin für Jazzgesang an der Universität in Graz lehrt, bemüht zwar beim Komponieren ihre Vorbilder, die Band Steps Ahead mit der Pianistin Eliane Elias, schafft es aber nur ganz selten, deren swingenden Groove und harmonische Farbenpracht zu reproduzieren, wie etwa in „That Second Look“. Meist mäandern die Noten im Ungefähren, Balladen („Thank You For Everything“) schleppen sich mühevoll dahin, nicht zuletzt auch, weil Dena DeRose ihr durchaus feines, strukturiertes Pianospiel gesanglich zu unterlegen versucht.
Ein Lichtblick, zumindest in Teil zwei, ist Gitarrist Vincent Koning, dessen elegant-bopende Läufe dem etwas müden Abend wenigstens einen Hauch von Struktur und Rasanz verleihen. Ein Konzert wie dieses kann man normalerweise nicht als schlecht im reinen Wortsinn bezeichnen, dafür stehen vier ambitionierte, handwerklich über jeden Zweifel erhabene Musikerinnen und Musiker auf der Bühne. Aber wenn nur vier Tage zuvor ein Weltklassekünstler wie Kenny Barron das Qualitätslevel im Birdland-Jazzclub auf einer leider schwindelerregenden Höhe festgezurrt hat, dann ist dies hier doch ein bisschen zu wenig.