David Murray Trio | 05.05.2023

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Einer der besonders herausragenden Tenorsaxophonisten der Gegenwart, geradezu eine Schlüsselfigur des zeitgenössischen Jazz bot im Neuburger Birdland ein mitreißend spannendes Konzert und warf mit Inspirations-Nuggets nur so um sich.

David Murray, mit seinen 68 Lenzen dem Zorn jüngerer Tage längst entwachsen, hat mit den Jahren an Power nichts verloren. Die geradezu schmerzhaft schneidende Präzision seines Tons, der Schrei des Instruments im Falsett, das robuste Volumen und die stupende Technik vereinen einen ganzen Jazzkosmos in sich. »Nino«: Die Geschichte wird von der Gegenwart förmlich umschlungen und weist geradewegs in die Zukunft des akustischen Jazz sowie dessen Drang nach Freiheit.

Die unnachahmlich eingesetzte Zirkularatmung ermöglicht kaskadenartige Strudel aus Musik von unglaublicher Dichte, Vielfalt und Ekstase. »Am Gone Get Some«, Murray spielt als ginge es um sein Leben, von Beginn an, getränkt in der Essenz von Gospel und Blues, bläst mit so kraftvollem Luftstrom, das das Blatt schier vom Mundstück zu springen scheint.

Wie züngelnde Flammen schlagen unberechenbare Überblasungen aus dem Klangtrichter seines Horns, wild, unbezähmbar, stets jedoch konzentriert, glasklar strukturiert und themenbezogen ausgespielt. »Open The Door«, der Titel ist so exemplarisch wie vielsagend: Ein schier nie versiegender Strom an Ideen, Varianten, Sounds, Notenfolgen, Arpeggien und Melodien entspringt diesem Saxophon. In der mit einem beeindruckenden Bassolo eingeleiteteten Ballade »Metouka Sheli« zeigt sich Murray dazu überaus sensibel, geradezu zärtlich, dann wieder hart, straight, funky und voller Soul in »Let The Music Take You«.

In jedem Ton trägt die Musik des Trios den herben Beigeschmack des Blues in sich, unterstrichen nicht zuletzt durch die erdenschwere Energie des Basses von Luke Stewart. Seine wie aufgeladene Entschlossenheit, sein mächtiger Ton und seine ungemein groovende Beegung bilden eine grollende Masse, auf deren Basis die Musik so sicher steht wie das Amen in der Kirche. Ihr hypnotischer Grundpuls schiebt die Zeit vor sich her, vielfältig durchbrochen und durchwebt von Russel Carters Schlagzeug. Der Drummer holt aus seiner Snare mehr als manch anderer aus dem ganzen Set, das wiederum unter seinen Händen zu einem wahren perkussiven Orchester wird. Im Eifer des Gefechts rutscht da schon mal ein Stick weg, nie jedoch überzieht Carter, stets integriert er den Sound mit seinen feinen Grooves ohne ihn zu dominieren.

Im zweiten Set lässt das Konzert ein wenig nach, findet nicht mehr zu ganz so konzentrierter Dichte; manche technischen Kabinettstückchen verströmen zudem einen leichten Hang zum Manierimus.

Das indes ist Jammern auf denkbar hohem Niveau und das zugegebene Bravourstück »Both Feet On The Ground« belohnt schließlich das durchwegs auf Ballhöhe gebliebene, atemlos begeisterte Publikum mit einem grandiosen Jazz-Feuerwerk. Das wird so schnell nicht vergessen, wer dabei gewesen ist.
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