Martin Weiss Ensemble | 15.09.2000

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Der Saisonstart verläuft nach Maß im Birdland Jazzclub: Zum dritten Mal hintereinander war der Keller unter der Hofapotheke ausverkauft, diesmal beim Sinti-Jazz. Das Martin Weiss Ensemble rief nachhaltige Begeisterung hervor.

Da hat einer alles inhaliert, was die Musikalität seines Stammes bietet, und zu einer eigenständigen Mixtur verarbeitet. Tradition und Moderne gehen Hand in Hand. Martin Weisss und seine Mitstreiter sind in der überlieferten Folklore der Sinti ebenso zu Hause wie im Swing a la Hot Club de France von Django Reinhardt und Stephane Grapelli. Im Gewand des Wiedererkennbaren entfalten sie gleichzeitig Eigenes, Modernes, zuweilen Aufregendes. Sicher, sie sind routiniert und sturmerprobt, spulen vordergründig das ab, was von ihnen erwartet wird, lassen alle Klischees von der Lagerfeuerromantik des fahrenden Volkes zu. Aber sie kippen dabei nie ab in den Kitsch, beherrschen auf hauchdünnem Grat die Balance zwischen folkloristischen Gimmicks und ernsthaftem Traditionsbewußtsein. Das Martin Weiss Ensemble bleibt formal auf der sicheren Seite, in den kleinen feinen Extras jedoch lodert eine Vitalität, deren Selbstverständlichkeit gar nicht erst die Frage nach Alternativen stellt, die ohnehin nur schlechter sein könnten. Da wird Brahms Ungarischer Tanz – ja, den man halt so mit Zigeunermusik identifiziert – zu einer eigenartig schwerblütigen Improvisation zerpflückt, die in manchen Passagen weit ins 21. Jahrhundert hinein fliegt. Sweet Georgia Brown, I got Rhythm, Nuages und was noch alles dazu gehört, die vier bringen es auf die Bühne, federnd, elastisch, lässig-zuverlässig unterfüttert von André Loos am Bass und Tschabo Franzen an der Rhytmusgitarre und mit nur so aus dem Ärmel geschüttelten Soli von Martin Weiss an der Geige und Kussi Weiss an der Gitarre. Vor allem der hatte einen Fünf-Sterne-Tag erwischt. Ein besonderes Schmankerl gab´s nach dem Konzert: Eine rein akustische unverstärkte Zugabe am Tisch im Mittelschiff des Gewölbes.