Martin Auer Quintett „Our Kind Of Blue“ | 26.09.2015

Neuburger Rundschau | Barbara Sagel
 

Das Martin Auer Quintett spielt „Our Kind of Blue“ und Mehr im Birdland
Wenn ein Konzert mit „Our Kind of Blue“ betitelt ist – und so war es am Samstag im Birdland beim Auftritt des Martin Auer Quintetts – und wenn sich dieser Titel tatsächlich auf das meistverkaufte Jazzalbum aller Zeiten bezieht, nämlich Miles Davis 1959er Veröffentlichung „Kind of Blue“, und wenn dieser Bezug nicht nur in stilistischen Ähnlichkeiten liegt, sondern wenn diese Aufführung wirklich die Stücke des weltberühmten Originals zum Inhalt hat, dann steht man als Berichterstatter des Ereignisses mit einer begrenzten Anzahl von verfügbaren Textzeilen wahrhaftig vor einem Problem: Wo anfangen? Worauf fokussieren? Und wo wieder aufhören? Vor allem, wenn noch eine weitere Erschwernis hinzukommt: Das Martin Auer Quintett bestritt die erste Hälfte des Abends mit äußerst attraktiven Eigenkompositionen, worüber angemessen zu berichten ebenfalls etliche Anschläge kosten könnte. Betrachten wir beispielsweise „Caught into Something Turning“, ein Werk des Bassisten der Band, Andreas Kurz. Die Up-Tempo Swing Nummer, die recht harmlos mit der Einführung des Themas durch die Bläser beginnt, steigert sich über das glänzende Solo Martin Auers – die Trompete in ihrem Element – das überbordende Spiel Florian Trübsbachs auf dem Altsaxofon, gedrängt, getrieben durch die Rhythmusgruppe zu einem wahren Sog, einem Strudel – bestehend – woraus? Bestehend aus nichts weiter als den üblichen Zutaten der Musik, dem Rhythmus – der allerdings beim Martin Auer Quintett auch ziemlich kompliziert sein kann – der Harmonik und dem Arrangement? Nein, das ist sicher nicht alles, was diese Combo ausmacht. Der Sog entsteht, wenn hervorragende Musiker bereits seit Jahren – in diesem Fall seit 1997 – zusammenspielen, wenn sie den Stärken des jeweils anderen Raum geben, wenn sie – so muss es sein – einen gemeinsamen Puls verspüren, eine gemeinsame Emotion. Es ist anzunehmen, dass eine solche Verbindung auch unter den Musikern auf Miles Davis Album „Kind of Blue“ bestanden hat. Wäre eine Intensität, wie sie dieses Werk erreicht, sonst denkbar? Im Jahr 2011 erhielt das Martin Auer Quintett im Rahmen der Leipziger Jazztage den Auftrag,„Kind of Blue“ neu zu interpretieren. Fünf Stücke, fünf Musiker, jeder übernahm ein Arrangement. Die Vorgehensweise beschrieb Martin Auer so: „Wir wollten die Musik Miles Davis in unsere Musik umwandeln, ohne uns selbst zu verraten.“ Und das ist gelungen. Die Band vom ersten Set des Abends war im zweiten noch bestens erkennbar. „All Blues“, das wohl bekannteste Stück des Albums, stand am Ende des Konzertes. X-Fach gecovert, ist die Hörerwartung hier wohl am wenigsten an die Originalaufnahme geknüpft. Doch gerade vor dem Hintergrund der zahlreichen Versionen, steht die Martin Auersche Weise (arrangiert von Florian Trübsbach) besonders gut da. Das berühmte Thema wird reizvoll verfremdet, zunächst auf dem ersten Intervall, der Sexte, insistierend – ein aufrüttelnder Effekt. Zwei wichtige Akteure müssen noch erwähnt sein: Drummer Bastian Jütte, der mit sehr fein ziselierter bis aufreizend wilder Rhythmik begeisterte, und Pianist Jan Eschke, der in „Freddie Freeloader“ mit dem taktelang durchgehaltenen „Minimal-Vamp“ bestehend aus einem einzigen sich endlos wiederholenden, aber immer wohl platzierten Ton auf sich aufmerksam machte – neben der Virtuosität, die er vorher bereits ausführlich bewiesen hatte. Nun, so könnte es weitergehen, viele Anschläge, viele Zeilen lang über das Martin Auer Quintett, das hocherfreute Publikum, Miles Davis, den Modal Jazz… Doch jetzt ist Schluss.