In den 1990-er Jahren bildeten der Schlagzeuger Aldo Romano, der Kontrabassist Henri Texier und der Klarinettist und Saxophonist Louis Sclavis ein Ausnahme-Trio, das nicht nur in seinem Herkunftsland Frankreich, sondern in ganz Europa mit zur Speerspitze des Jazz überhaupt zählte. Dass das alte Feuer auch heute noch lodert, können an diesem Tag im Birdland all diejenigen erkennen, die sich zum Konzert der Combo in der Neuburger Altstadt eingefunden haben.
Zuerst sieht es so aus, als ließen sich die drei Musiker gemäß eines ihrer Stücke mit dem Titel Vents Qui Parlent quasi hineinwehen in diesen Abend, ganz sanft, allmählich und vermeintlich ziellos. Doch dieser Eindruck täuscht, denn bei aller Offenheit gegenüber Einflüssen vielfältigster Art von arabischen und schwarzafrikanischen Elementen über fernöstlich anmutende Melodien bis zu Marschrhythmen und knackigem Funk inklusive via Effektgerät zum Fuzz-Bass umgestylten Kontrabass läuft doch alles in geregelten Bahnen ab. Interaktives Powerplay folgt durchaus cantablen Abschnitten auf dem Fuß, bei Bedarf wird mit dem Blues geflirtet, dann wieder mit Augenzwinkern aus der Musical-Tradition zitiert. Vieles ist möglich, aber nichts ist zufällig.
Louis Sclavis ist sicherlich der Auffälligste, wäre aber verloren ohne seine beiden kongenialen Partner. Das Trio steht im Zentrum, das ist klar, aber dennoch: Sclavis ist ein Phänomen. Wie er mit Hilfe der B- und der Bassklarinette oder dem Sopransaxophon Notenberge auftürmt, im nächsten Augenblick via Zirkularatmung ungemein kraftvolle, rasante und schier unerschöpfliche Tonkaskaden von selbigen herabstürzen lässt und sich am Ende quasi kopfüber selbst noch in die Gumpe am Fuße des Felsens stürzt, nimmt einem fast den Atem.
Das Trio, das nie wie so viele Bands des europäischen Jazz irgendwelchen amerikanischen Vorbildern nacheiferte, brodelt, lodert, die Atmosphäre knistert vor Spannung. Wer je in offenes Feuer geschaut hat, weiß um die Faszination, die vom ständig sich verändernden Aussehen, der ständig wechselnden Gestalt der Flammen ausgehen. In manchen Passagen des Konzerts fühlt man sich als Augen- und Ohrenzeuge ähnlich berührt von der hypnotischen Wirkung, der spirituellen Kraft der Töne, von den Überraschungseffekten, mit denen man ständig zu rechnen hat, aber auch von der zwar nicht beweis- aber doch deutlich fühlbaren Gewissheit, dass irgendwer im Hintergrund die Fäden in der Hand hält.
Ja, die drei Herren haben sich da ein wirklich spannendes Konzept ausgedacht. Das alte Feuer lodert, wie gesagt, immer noch, die Funken sprühen und das Publikum ist am Ende Feuer und Flamme.