Im November 2019, kurz vor Beginn der Pandemie und mitten in der ersten Amtszeit Trumps, war die in Spanien geborene und in Brooklyn lebende Pianistin Marta Sánchez schon einmal mit einer multinationalen Band im Birdland in Neuburg zu Gast. Um damit ganz bewusst zu demonstrieren, was die Jazz-Szene von Rassismus, Nationalismus und vom damaligen Bewohner des Weißen Hauses hielt. Diesmal ist die Lage ähnlich, und freilich mag es Zufall sein, dass Sánchez, die Japanerin Kanoa Mendenhall am Kontrabass und der sensationelle Ofri Nehemya aus Israel am Schlagzeug aus unterschiedlichen Weltgegenden stammen, aber bemerkenswert ist es trotzdem.
Auch der Jazz hat leider seine rassistische Vergangenheit, aber die ist im Gegensatz zur politischen, die anscheinend gerade wieder groß in Mode ist, zum Glück überwunden und heute spielen Musiker zusammen, weil sie kooperieren wollen, sich schätzen und den Jazz, der längst den Globus mit einer gemeinsamen Sprache umspannt, und die ihm innewohnende Freiheit lieben. Das Marta Sánchez Trio ist nur eines von vielen Beispielen dafür. Dessen Musiker geben sich einerseits traditionsbewusst, wenn sie Eric Dolphy’s „Mrs. Parker Of K.C.“, Thelonious Monk’s „We See“ und als Zugabe Billy Strayhorn’s „Isfahan“ spielen, selbstverständlich auswendig, denn Stücke wie diese gehören zum Standardrepertoire und sind Teil der erwähnten gemeinsamen Sprache. Andererseits arbeiten sie ständig an der Weiterentwicklung des Genres, präsentieren ihren eigenen Beitrag dazu. Das Trio, das da im Birdland auf der Bühne steht, beschäftigt sich unter Sánchez‘ Leitung und anhand ihrer Kompositionen mit polyphonen und rhythmisch diffizilen Strukturen, baut bewusst dynamische Kontraste in die Abläufe mit ein, fordert von den drei Beteiligten die nötige Sensibilität ein für den in Töne und Klänge umzusetzenden, auf Notenblättern fixierten „Stoff“, verlangt ihnen aber auch das richtige Gespür ab für die Möglichkeiten, die ihnen zugestandene Freiheit zu nutzen. Sánchez selbst zeigt sich in Topform. Ihre Vielfalt an Ausdruckformen ist in der Tat beeindruckend. Ofri Nehemya ist nicht nur technisch brillant, sondern überzeugt auch durch sein Gespür für all die möglichen Nuancen zwischen funky Grooves und sensibler Korrespondenz. Und Kanoa Mendenhall, auf den ersten Blick vergleichsweise eher unauffällig, besticht mit höchst eigenwilligen Basisfiguren wie auch mit solistischen Extravaganzen erster Güte.
Das Konzert umfasst insgesamt zwölf Stücke, was allein schon auf deren Kompaktheit hinweist, nicht auf Jams, sondern auf Soli, in denen die Musiker schnell auf den Punkt kommen. Insofern spiegelt der Abend auch den Inhalt des aktuellen Albums „Perpetual Void“ wider, von dem bis auf „Andy“ und die drei erwähnten Adaptionen alle Stücke stammen. Sie funktionieren in der Live-Situation – was zu erwarten war – tatsächlich ebenso gut wie per Konserve, was nicht immer klappt. Und so hat das Publikum am Ende sogar zwei Optionen. „3.30 AM“, „The End Of That Period“, „Black Cyclone“, das Titelstück mit seinen minimalistischen Anteilen, das bluesige „The Love Unable To Give“ und all die anderen im Gedächtnis mit nach Hause zu nehmen oder alternativ in ähnlichen Versionen in gepresster Form. Beides lohnt sich.