Maria Baptist Trio + 1 | 29.09.2017

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Poems Without Words, also Gedichte ohne Worte, dieses Motto hat das Maria Baptist Trio für seine neueste CD gewählt. Im Birdland Jazzclub Neuburg konnte ein begeistertes Publikum das erste Live-Konzert dieses Programms erleben, nur wenige Wochen nach Abschluss der Studio-Aufnahmen. Und Maria Baptist (Piano und Komposition), Fabian Timm (Bass), John Betsch (Drums) und bei manchen Stücken Jan von Klewitz (Altsaxofon) haben ihr ambitioniertes Motto mit einem poetischen, souveränen Auftritt im Birdland Keller wirklich eingelöst.

Wo die Sprache aufhört, wo die Worte ausgehen, da beginnt die Musik – sofern es große Musik mit einem Reichtum an Klangfarben, Melodien, rhythmischen Finessen und Gefühlen ist. Diesen Kosmos fächern die Kompositionen der hinreißenden Pianistin Maria Baptist auf, die nicht ohne Grund als eine der spannendsten Figuren der Jazz-Szene in Deutschland gilt. Anrührende Melodien, oft mit einem feinen elegischen Unterton, kontrastieren mit kraftvollen, ekstatischen Ausbrüchen, balladeske Linien verwandeln sich in temporeiche, wilde Tonfolgen. Zarte Klangfarben entwickeln sich über intensiv ausgestaltete Steigerungen hinweg in harte, scharfe Konturen, aus Zärtlichkeit wird Zorn, aus tief empfundener Ruhe wird , zugespitzt formuliert, musikalische Raserei. All dies wird mit einem technischen Können auf höchstem Niveau präsentiert und mit einer musikalischen Intelligenz, die aus dem Trio + 1 (damit ist der nicht durchgehend aktive Saxofonist angesprochen) ein perfekt harmonierendes Quartett formt.

Was sich das auf der Birdland-Bühne abspielt, ist schon an der Körpersprache der Musikerabzulesen. Maria Baptist verschmilzt geradezu mit dem Bösendorfer-Flügel, bei lyrischen Passagen berührt ihr Gesicht fast die Tastatur, sie entlockt dem Instrument alle erdenklichen Farben und reizt vor allem in den tiefen Regionen die dynamischen Möglichkeiten aus. Dabei wirkt sie niemals auftrumpfend oder effekthaschend, Maria Baptist erzählt auf eine unprätentiöse Art durchaus komplexe musikalische Geschichten. Das gilt für Kostbarkeiten wie „Midnight rain“ ebenso wie für ihre Kompositionen „Travel of possibilities“ oder „Hells kitchen“, ein Stück mit verblüffenden musikalischen Einfällen, benannt nach einem wenig glamourösen Stadtteil von New York.

Technisch und musikalisch, im übrigen auch konditionell besonders gefordert ist bei Maria Baptists Kompositionen der Saxofonist Jan von Klewitz. Dieser Weltklasse-Mann beherrscht sein Instrument, von den geheimnisvollen Tönen der tiefsten Lage bis in die kraftvolle, glänzende Höhe. Selbst in den verrücktesten, stark emotionalen Tonkaskaden bleiben Klarheit und Struktur erkennbar. Das ist hoch virtuos, aber von selbstverliebtem Virtuosentum weit entfernt. Der Bassist Fabian Timm gehört zu den „jungen Wilden“ der Berliner Jazz-Szene, und er hat auch genügend wilde Soli zu spielen. Halsbrecherisch geht es auf dem Griffbrett rauf und runter, heikle Oktav-Parallelen und herausfordernde Sequenzen inklusive. Fabian Timm genießt es durchaus, als Solist zu brillieren, aber zugleich erweist er sich als feinsinniger Musiker. John Betsch bezeichnet das Programmheft als eine Drum-Legende. Mit solchen Begriffen sind manche schnell zur Hand, aber in diesem Fall trifft die Charakterisierung wirklich zu. Dieser „alte Hase“ am Schlagzeug spielt in einer souveränen Ruhe, uneitel, in einer selbstverständlichen Musikalität, die über Jahrzehnte gewachsen ist. Gerade die leiseren Töne und Stimmungen trifft er perfekt, wenn es sein muss, langt er auch kräftig zu, aber immer mit feinem musikalischem Verstand. Einen solchen uneingebildeten Könner am Schlagzeug zu erleben, ist ein Genuss.