Hildegard Pohl Trio | 06.10.2017

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Es ist zugespitzt formuliert, aber die Devise stimmt schon: Du kannst nicht Jazz spielen, ohne auch Bach zu spielen. In der Musik des großen Johann Sebastian ist, wenn man genau hineinhört, alles bereits angelegt: Swing, Drive, unbändige Fantasie und die Lust an der Improvisation genauso wie die Strenge von Kontrapunkt und Fuge. 300 Jahre jung ist diese Tonsprache inzwischen und ihr inneres Feuer entzündet Künstler immer neu – ob sie sich nun in die historische Aufführungspraxis vertiefen oder ein wenig lockerer mit dieser Fülle musikalischer Steilvorlagen umgehen.

Das Hildegard Pohl Trio aus Nürnberg ging im Birdland Jazzclub sehr frei und beschwingt, zugleich aber respektvoll und manchmal sogar mit Ehrfurcht (wenn man dieses schöne alte Wort verwenden will) ans Werk. Die drei Künstler Yogo Pausch (Schlagzeug), Norbert Meyer-Venus (Bass) und Hildegard Pohl (Piano) haben eine profunde klassische Ausbildung am Meistersinger-Konservatorium genossen, sie kennen ihren Bach also genau. Auf dieser Basis verwandelt sich sich der Großmeister des Barock in einen faszinierenden „Mr. Bach“, der swingt, der groovt und der das Publikum mitreißt.

Dieser Sound im Jazzkeller hätte wohl auch Johann Sebastian gefallen, wenn er incognito in der Neuburger Altstadt hätte vorbeischauen können. Denn das Hildegard Pohl Trio lieferte eine moderne Hommage auf den alten Bach ab, locker und ernsthaft zugleich, mit untadeliger technischer Perfektion. Große Musik auf der Grundlage großer Musik, keine Manier des allzu Modernen, keine aufgesetzten Effekte. Sondern Improvisationskunst mit hohem Anspruch an sich selbst.

Zum Beispiel das „Italienische Konzert“, das Hildegard Pohl und ihre Mitstreiter zu einem „Concerto Italiano Vero“ machen. Strahlend stellt Hildegard Pohl die ersten Akkorde in den Raum, man versenkt sich in diese oft gehörte Musik und schon beginnt eine Reise durch die Welt der Improvisation, der witzigen Verfremdung, der feinen Zitate etwa aus Vivaldis Jahreszeiten oder einer alten Canzone. Auf emotionale Passagen folgt die Leichtigkeit scheinbar simpler Tonfolgen, immer spannend und mit überraschenden Einfällen aller drei Instrumente.

Ein hinreißendes Erlebnis bot die „Swinging Toccata“, die puristische Fans dieses allzu bekannten Orgel-Werkes genauso begeistert wie jene, die es lieber in einer kräftig aufgenordeten, heißen Jazz-Variante haben. Vor allem Hildegard Pohl lässt ihrer Fantasie-Lust auf den Tasten freien Lauf, und Bass wie Schlagzeug stehen ihr nicht nach.

Was die Qualität dieses Trios ausmacht, wird in der Interpretation der berühmten Air und des Ave Maria besonders greifbar. Das ist nahe am Bach der Original-Instrumentierung, alle drei Jazzer sind sich bewusst, dass man diese Musik nicht zu freihändig verändern und umkrempeln sollte. So entsteht eine dichte Jazz-Art, die Swing und Drive elegant mit dem „klassischen“ Barock verschmilzt. Cross over, das heißt ja nicht, leichthin über Grenzen und Stile hinwegzuspringen. Gefragt ist vielmehr, sich beide Welten anzueignen, ihre Eigenheit zu verstehen und dann ein stimmiges, spannendes Drittes daraus zu erschaffen.

Diese musikalische Kreativität hat das Hildegard Pohl Trio beim Jazz-Event der Neuburger Barockkonzerte dem Publikum als Geschenk gemacht. Die Verbindung von Barock und Jazz, seit inzwischen 17 Jahren praktiziert, ist mit ein Grund dafür, dass die Konzertreihe auch im 70. Jahr alles andere als alt aussieht.