Marc Copland Quartet feat. Bob Berg | 29.10.1999

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

OktoberSpecial 1999

Dieser Marc Copland ist auf einmal ein völlig anderer. Nicht mehr der verklärte Träumer früherer Tage, der abgeschottete, völlig ins sich selbst versunkene und gerade deshalb oft genug ignorierte Wunderpianist. Bei seinem sechsten Besuch in der Region (fünfmal Neuburg, einmal bei den Ingolstädter Jazztagen) gab sich der 51jährige New Yorker als Alchemistenmeister ausser Rand und Band.

Es brodelte, dampfte und zischte, als Copland beim ausverkauften Konzert im Rahmen des „Oktober-Specials“ des Neuburger „Birdland“-Jazzclubs seine ureigene Rezeptur aus dem „Real Book“ ansetzte: eine Prise chromatischer Überwucherungen, ein Schuss fluktuierender Akkordprogressionen, ein Löffelchen verschobener Tonarten, alles fein abgeschmeckt mit einem stoischen Shuffle-Groove. Überraschend schroff behandelte er erhabene Heiligtümer des traditionellen Jazz wie „Stompin` At The Savoy“ (sein Arrangement nennt sich „Stompin` With Savoy“, der gleichnamigen Plattenfirma huldigend), „Softly As In A Morning Sunrise“ oder Charlie Parkers „Au Privave“.

Dabei entstand das genaue Gegenteil von plätscherndem Barjazz. Was Wunder bei solchen Mitstreitern: der auf edle Klangbögen abonnierte Bassist Ed Howard, die sensationell pulsierende Drum-Legende Billy Hart und der Wahnsinns-Tenorsaxofonist Bob Berg, ein Feuerbläser voller Leidenschaft, Expressivität und Gestaltungswillen. Die drei erhalten von ihrem Leader, dem Kommunikation wichtiger scheint, als jedes affektierte Solo, alle nur erdenklichen Freiheiten. Da kratzen selbst beschauliche Balladen wie „Soul Eyes“ oder Coplands normalerweise düster-melancholische Eigenkomposition „Dark Territory“ angenehm dreckig, obwohl sie trotz des hohen Adrenalinpegels mit großer Sorgfalt fürs Detail modelliert werden.

Copland symbolisiert so etwas, wie den ruhenden Fels in der reissenden Lava. Der Meister der Reduktion, bei dem einmal mehr die raffinierte, fast hingehauchte Differenzierung des Anschlags auffällt, besitzt Klasse und Stil. Er steuerte die durchwegs 20minütigen Tunes mit ausschweifenden Improvisationen zu endlosen Gipfelstürmen; sperrige Hymnen auf die Nacht und die Stadt.