Marc Copland New Quartet feat. Mark Feldman | 22.04.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Der Pianist Marc Cop­land aus Philadelphia und der Geiger Mark Feldman aus Chicago. Die beiden Hauptakteure des Abends haben einiges gemeinsam. Beide sind wegweisende Vertreter ihres Faches im heutigen Jazz, beide sind Freigeister und absolute Indi­vidualisten. Und schließlich haben beide jüngst Soloalben ohne jegliche Begleit­musiker veröffentlicht. Copland eine Hommage an den Gitarristen John Aber­crombie mit dem Titel „John“ und eine an den Bassisten Gary Peacock unter der Überschrift „Gary“, Feldman das Album „Sounding Point“.

Nach alldem ist nun das Marc Copland New Quartet feat. Mark Feldman zu Gast im Neuburger Birdland Jazzclub, das mit Beteiligung von Jonas Burgwin­kel am Schlagzeug und des Kontrabas­sisten Felix Henkel­hausen – beides ihrer­seits wiederum Spitzenkräfte des euro­päischen Jazz – ein Konzert gibt, das man durchaus mit „Aktion-Reaktion-In­teraktion“ betiteln könnte. Copland ist bekannt dafür, äu­ßerst sensibel, ja gera­dezu seismogra­fisch, auf seine Umge­bung zu reagieren, um auf der Basis des­sen, was auf ihn an akustischen oder emotionalen Reizen einströmt, selbst ak­tiv zu werden. Seine Kollegen liefern ihm den Input, umge­kehrt konfrontiert er sie wiederum mit seinen Ideen, die dann gemeinsam verar­beitet werden.

Als Paradebeispiel mag die Feld­man-Komposition „Elegy“ dienen, die in Pa­pierform nur vier Notenzeilen lang ist, in Echtzeit aber knappe 15 Minuten. Was während dieser Zeitspanne geschieht, ist völlig offen, auch für die Musiker selbst. Gerade dann freilich, wenn Vorgaben hinsichtlich des Tempos, der Taktart oder des Ablaufs wegfallen, entsteht eine re­gelrecht knisternde Spannung. Das Prin­zip funktio­niert in auch bei Abercrom­bie’s „Spring Song“ oder dessen balla­deskem „Sad Song“, bei Standards wie „East Of The Sun“, anlässlich einer wun­derschönen Bearbeitung von „Greenslee­ves“ in der Zugabe, besonders ein­drucksvoll aber bei Mongo Santamaria’s „Afro Blue“ und dessen Cuban Flair, wenn das Thema nur kurz angerissen wird und im weiteren Verlauf nur noch verklausuliert, bruchstück- oder sche­menhaft auftaucht. Man will es greifen, erwischt es aber nie wirklich, bis sich ganz am Ende in einer Art Coda alles, wie von Zauberhand inszeniert, wieder zusammenfügt.

Das Konzert des Marc Copland New Quartet ist eines, in dem es in besonde­rem Maße auch um künstlerische Frei­heit geht, um die Möglichkeit, auf Kon­ventionen zu pfeifen und sich von Inspi­ration, Eingebung und Befindlichkeit lei­ten zu lassen und in dieser speziellen Si­tuation das zu tun, was einem richtig er­scheint. Am nächsten Abend, wenn die Umstände andere sind, werden die sel­ben Stücke vermutlich komplett anders ablaufen. In diesem Sinne sind die zwei Stunden im Birdland einzigartig, nicht wiederholbar, Weltpremieren sozusagen, die aus dem Moment heraus entstehen, nur im Ansatz einem Plan folgen, der aber jederzeit geändert, völlig umgewor­fen oder spontan neu erfunden werden kann. Drahtzieher ist Copland, von des­sen Wagemut sich seine Kollegen als gleichwertige Partner anstecken lassen. Zöge einer nicht mit, ginge es nicht, ge­meinsam sind sie an diesem Abend ein Quell nie versie­gender Kreativität.