Jermaine Landsberger Trio & Marcel Loeffler | 09.04.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Bereits das erste Stück des Konzerts, Herbie Hancock’s „Dolphin Dance“, gibt die Richtung vor. Germaine Landsberger, der Mann am Flügel schlägt die wuchtigen Moll-Akkorde des Themas an, seine Band bemächtigt sich dessen mit spielerischer Leichtigkeit und entwickelt daraus eine abenteuerliche Version voller Dynamik und Esprit, bevor alle überaus elegant zurückkehren zu der vom Komponisten ins Gedächtnis eines jeden Jazzfans gehämmerten Basismelodie.

Es ist ein Abend, an dem alles zu passen scheint. Ein Bandleader, der das Birdland kennt wie seine Westentasche, quasi ein Heimspiel hat und schier übersprudelt vor Kreativität und Spiellust, der mit dem wendigen und souveränen Kontrabassisten Martin Gjakonovski und dem an diesem Tag geradezu sensationellen Schlagzeuger Guido May eine perfekt eingespielte Truppe an seiner Seite hat, ein Trio, das zudem nach dem langen Spielverbot wegen der Pandemie geradezu gierig und erpicht darauf zu sein scheint, endlich wieder mal Vollgas zu geben und zu zeigen, wozu es an guten Tagen fähig ist.

Der Tag im Birdland ist ein guter, mehr noch, ein denkwürdiger Tag, was auch daran liegt, dass sich Landsberger, der sich an den weißen und schwarzen Tasten so richtig austobt, sich gerne Gäste einlädt. Das ist in diesem Fall der im Elsass lebende Marcel Loeffler mit seinem chromatischen Knopfakkordeon. Beide Musiker sind Sinti und spielen auch ein paar Stücke von Django Reinhardt, dem großen Säulenheiligen des Gypsy Swing, zum Beispiel eine hinreißende Version von „Nuages“, ein paar Musette-Walzer, erweitern ihr Repertoire aber auch immer wieder um eigene Kompositionen, um Miles Davis und Bill Evans, um Edith Piaf’s „La Vie En Rose“ und um Clifford Brown’s „Joy Spring“ und sind mindestens die Hälfte der Zeit über mittendrin in der Welt des Modern Jazz, des Chansons und des Bossa Nova. Sinti-Musiker sind berühmt für ihre technische Brillanz, ihre atemberaubende Fingerfertigkeit, für absolute Präzision und Tightness, ihre Faible dafür, auch mal den Turbo zu zünden. Meist hat man dabei eher die Gitarristen oder die Geiger im Kopf, Landsberger und Loeffler übertragen diese Eigenschaften auf ihre Instrumente und sorgen dafür, dass phasenweise dermaßen die Post abgeht, dass man sich als Zuhörer eigentlich anschnallen müsste.

Es ist ja ein Riesenunterschied zwischen Bands, die lediglich „richtig“ und rhythmisch korrekt spielen, und solchen die dabei regelrecht abheben, die diesen unwiderstehlichen Puls entwickeln, den man zwar nicht messen, aber um so deutlicher spüren kann, der einen körperlich packt. Wenn die Band beginnt zu schweben, entstehen solch magische Momente wie an diesem Abend bei Landsbergers „Gypsylogy“ oder bei Loefflers „Session“, bei denen man sich fragt, wann der Moment gekommen ist, an dem die vier Musiker da vorne auf der Bühne zum Salto ansetzen. Das alles geschieht scheinbar völlig mühelos, mit unglaublicher Leichtigkeit, mit enormer Dynamik. Diese Band an diesem Abend – das ist schon ein spezielles Erlebnis, eine Eruption an Intensität, voller Feuer, Lust und Leidenschaft. Die Band kocht und das Auditorium auch. Was für ein Konzert!