Marc Copland-John Abercrombie Duo | 31.01.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Ein Duo und ein bis auf den allerletzten Platz gefüllter Jazzkeller in Neuburg. Das bedeutete für die Verantwortlichen des „Birdland“-Jazzclubs bis zum vergangenen Freitag so etwas, wie die Quadratur des Kreises. Ein hochrangiges Pianotrio, ja. Auch ein erlesenes Quartett voller Weltstars wäre dazu jederzeit in der Lage. Aber das sensible, leise Interplay zweier Musiker und die dafür erforderliche schweigende Aufmerksamkeit über zwei Stunden hinweg bremste in der Vergangenheit regelmäßig die Euphorie bei vergleichbaren Ereignissen.

Bis die Trendwende, wie gesagt, beim jüngsten Event zwei griffige Namen erhielt: John Abercrombie und Marc Copland. Beide zelebrierten vor einem faszinierten Auditorium ein Konzert voller künstlerischer Schönheit, technischer Raffinessen und lyrischer Ausdruckskraft, das die aus ganz Bayern angereisten Jazzfans am Schluß mit „standing ovations“ goutierten.

Abercrombie und Copland: das sind zwei kongeniale und absolut gleichwertige Partner, deren Instrumente einander ohne vorherige Absprache und jedweden Blickkontakt ihrer Benützer ergänzen. Hier findet kein bloßes Abspielen durchkomponierter Stücke statt, sondern eine intuitive Führung durch ein Thema. So klingen spontane Gefühle, Empfindungen zwischen den Taktstrichen, so entblößt ein jeder sein Innenleben nach und nach in einzelnen Tönen. Die Improvisationen pendeln im schwebenden Rhythmus und kehren blitzschnell mit einem einstimmigen Lauf zur Basis zurück.

Copland übernimmt dabei die Rolle des Post-Impressionisten, der nicht selten an Bill Evans erinnert, aber auch viel von der unmanirierten Romantik eines Keith Jarrett besitzt. Perlende Ostinati, mächtige Blockakkorde, gleitende Arpeggien, aber auch ein behutsam getupfter Anschlag erzeugen eine erstaunlich dynamische Struktur. Im Prinzip wäre der 44jährige schon als Solopianist ein rares Erlebnis. Aber erst John Abercombies spröde Eleganz perfektioniert Marc Coplands Ausstrahlung.

Als gitarristische Instanz seit den 70ern in der Kultgruppe „Gateway“ oder im Duo mit Ralph Towner geläutert, setzt der 52jährige heute mehr denn je auf sein leichtes und dennoch schneidendes Single-Note-Spiel. Kantig, mit dem Sinn für überraschende Wendungen läßt Abercrombie gerne seine Töne in der Ferne verhallen, um sich jedoch immer wieder von der knochentrockenen Magie des Blues und den swingenden Lyrismen seines Kompagnons einfangen zu lassen.

„Dark Territory“, ein Stück, das zu jedem Roadmovie passen könnte, liefert Bilderfetzen von einer Tankstelle, einem Highway, einer Müllhalde, Charlie Parkers „Anthropology“ boppt verklärt dahin. In Balladen wie „Amie“ versinkt die Männerfreundschaft in schillernd-träumerischen Pastellfarben, während sie die Zugabe „Softly As In A Morning Sunrise“ geradezu unverschämt hinreißend gegen den Strich bürstet. Abercrombie shuffelt sich durch den Uraltstandard, mimt urplötzlich den Heavy-Metal-Jauler, während Copland in diesem Moment einen ästhetischen Ausgleich in Form einer Breitseite Calypso sucht. Das sind in der Tat virtuose Höhenflüge, die nicht nach rationaler Durchdringung, sondern nach vollkommener emotionaler Auslieferung des Zuhörers verlangen.