Immer, wenn in der Vergangenheit der Weltklasse-Pianist Marc Copland aus New Jersey seinen Besuch im Birdland-Gewölbe unter der ehemaligen Hofapotheke in Neuburgs Altstadt ankündigte, wurde sein Auftritt zu einem Highlight der jeweiligen Konzertsaison. Dies betreffend stellt der Abend, den er zusammen mit dem Kontrabassisten Daniel Schläppi bestreitet, keine Ausnahme dar.
Mit dem Tieftöner aus dem Berner Land verbindet ihn seit Jahren eine Art Seelenverwandtschaft, mit ihm hat er das Duospiel auf ein neues Level gehoben. Jeder der beiden reagiert auf jede noch so kleine Nuance seines Kollegen, beide gehen eine fast schon symbiotische Partnerschaft ein und veredeln die speziell für diesen Abend ausgewählten Stücke aus dem großen Buch des Jazz auf einzigartige, sonst nirgendwo so zu hörende Weise. Es gibt Stellen im Laufe des Konzerts, an denen wird Copland, tief vorne über gebeugt, eins mit dem Bösendorfer, kriecht förmlich in ihn hinein, drückt sich nicht nur wie unsereins mit Worten, Gesten oder mit Mitteln der Mimik aus, sondern zusätzlich und vor allem über sein Spiel. Im Dialog mit seinem kongenialen Partner erzählt er über seine Melodieführung, seinen Anschlag und seine in Töne gegossenen Emotionen Geschichten, lädt seine Zuhörer ein, einen Blick zu riskieren in die Welt seiner Gefühle und Befindlichkeiten. Und nachdem die sich logischerweise ändern kann und nicht jeden Tag gleich aussieht, kann man sich sicher sein, tatsächlich einem einmaligen Ereignis beizuwohnen. Denn Copland und Schläppi sind, auch wenn sie Eckdaten vom Notenblatt abrufen, auch ein Synonym für Ehrlichkeit. Täglich reproduzierbare und somit identische Ereignisse auf Knopfdruck gibt es bei ihnen nicht.
An diesem Winterabend im Birdland ist Copland weniger introvertiert als bei früheren Konzerten. Freilich, fast greifbare Stille, Intimität und der souveräne Umgang mit dem Faktor Zeit sind ihm nach wie vor wichtig, aber bei Miles Davis‘ „All Blues“, John Abercrombie’s „Love Letter“ und Sonny Rollins‘ „Oleo“ geben sich er und Schläppi durchaus gut gelaunt, plaudern via Musik miteinander und mit dem Auditorium und Copland bewegt sich auch nicht – was in der Vergangenheit ab und zu durchaus mal vorkam – in seinem eigenen Kosmos, sondern durchaus in dem seines Publikums. Jule Styne’s „I Fall In Love So Easily“ und „And I Love Her“ von Lennon/McCartney werden durch die Versionen des Gespanns Copland/Schläppi und ihre Nähe zum Mainstream nicht nur zu eleganten Adaptionen, die wegen der künstlerischen Finessen in der Ausführung den Intellekt erfreuen, sondern auch zu Stücken, die wegen der emotionalen Tiefe in der Interpretation direkt ans Herz greifen.
Grandezza am Grand Piano und emo-tionale Tiefe am Kontrabass. Was für ein Duo, was für liebevolle Umgestaltungen von Stücken, die man bereits bestens zu kennen glaubt und die doch so viel Neues, Spannendes und vor allem Wunderschönes bereit halten. Die beiden jüngsten Alben von Copland und Schläppi heißen „Essentials“ und „More Essentials“. Und obwohl die Songauswahl, die die beiden für Neuburg geplant hatten, mit deren Inhalt nicht mehr allzu viel zu tun hat, passt deren Titel in abgewandelter Form doch auch für dieses überragende Konzert. In jeder Hinsicht essentiell.