Claus Raible Trio | 31.01.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

„Jazz is not dead, it just smells funny.“ „Jazz ist nicht tot, er riecht nur komisch“ – Dieses Zitat aus dem Munde des für seine flotten Sprüche bekannten Frank Zappa stammt aus dem Jahre 1974. Natürlich ist es flapsig ge­meint, hatte er doch selber gerade zwei bahnbrechende Jazzalben vorgelegt und das Zitat bezieht sich selbstredend auf die Zeit vor der Elektrifizierung des Jazz, auf Bebop und Hardbop.

Ausgerechnet damit freilich, mit Thelo­nious Monk, Bud Powell, Herbie Ni­chols und all den anderen Größen aus je­ner Zeit ist der Münchener Pianist Claus Raible innig verbunden, und als er an diesem Abend im ausverkauften Bird­land-Keller gastiert, widerlegt er ab dem ersten Ton Zappa’s These, die damals für manchen durchaus nachvollziehbar ge­wesen sein mag, die bei diesem Konzert in Neuburg aber ganz sicher nicht gilt. Raible bewegte sich schon früh im Windschatten der damaligen Größen, überzeugte als deren Nachlassverwalter, als souveräner Interpret bekannter und weniger bekannter Stücke aus deren Fe­dern, als glänzender Solist und umsich­tiger Bandleader.

Aktuell allerdings lotst er Bud Powell’s „Un Poco Loco“, Dizzy Gillespie’s „Tin Tin Deo“ und Thelonious Monk’s „Blue Monk“ auf neues Terrain und garniert die Setlist mit eigenen Stücken wie „Ac­celerando In Blue“ oder „What Love Exotique“, das er nach den Changes von Cole Porter’s „What Is This Thing Called Love“ geschrieben hat. Die Band mit Raible, seinem langjährigen Weggefähr­ten Xaver Hellmeier am Schlagzeug und Miloš Čolovič aus Belgrad am Kontra­bass marschiert über vergleichsweise weite Strecken gemeinsam, es gibt viele festgesetzte Elemente, weniger die für das Genre oft so typischen ellenlangen, dafür mehr gestraffte und deswegen stringente Soli, in denen die Bandmit­glieder ungemein treffsicher auf den Punkt kommen und niemals das gemein­same Ziel aus dem Auge verlieren.

Logik und Nachvollziehbarkeit, gepaart mit Eleganz und Nonchalance, zeichnen Čolovič aus, Hellmeier tut sich mit eini­gen Soli hervor und genügt dabei höchs­ten Ansprüchen und Raible brilliert, be­quem und entspannt auf einem Küchen­stuhl statt auf einem Klavierhocker sit­zend, mit rasenden Läufen, die er prä­sentiert, als schüttele er sie mal eben so aus dem Ärmel. Was er in der Tat auch tut, dabei die gesamte Klaviatur ab­schreitend. Wenn er mit Akkorden, die auch mal dissonant sein dürfen und wie Querschläger anmuten, immer wieder die wie geschmiert vor sich hin schnur­renden Läufe aufreißt, Melodien gegen den Stich bürstet und bis zur Verfrem­dung variiert, dann hat das zwar sehr viel mit den alten Blue Note-Einspielungen von einst zu tun, riecht jedoch alles an­dere als komisch.

Im Gegenteil. Was Raible und seine Be­gleiter ihrem Publikum anbieten, ist nicht nur beste Unterhaltung mit Stan­dards und Eigenkompositionen, wobei letztere allesamt das Zeug dazu hätten, selber ins Real Book aufgenommen zu werden, sondern auch eine Frischzellen­kur für ein Genre, das in der Geschichte des Jazz eine führende Rolle einnimmt. Auch heute noch. Oder besser gesagt: Erfreulicherweise heute wieder, auch dank Musikern wie Raible, die über die nötige Sturheit verfügen, sich nicht von ihrem Weg abbringen zu lassen und, in­dem sie ihn gehen, ihre Musik immer wieder neu definieren, ohne die Altvor­deren auch nur eine Sekunde lang zu ko­pieren. Ein herausragendes Konzert mit einem Claus Raible Trio in Hochform.