„Jazz is not dead, it just smells funny.“ „Jazz ist nicht tot, er riecht nur komisch“ – Dieses Zitat aus dem Munde des für seine flotten Sprüche bekannten Frank Zappa stammt aus dem Jahre 1974. Natürlich ist es flapsig gemeint, hatte er doch selber gerade zwei bahnbrechende Jazzalben vorgelegt und das Zitat bezieht sich selbstredend auf die Zeit vor der Elektrifizierung des Jazz, auf Bebop und Hardbop.
Ausgerechnet damit freilich, mit Thelonious Monk, Bud Powell, Herbie Nichols und all den anderen Größen aus jener Zeit ist der Münchener Pianist Claus Raible innig verbunden, und als er an diesem Abend im ausverkauften Birdland-Keller gastiert, widerlegt er ab dem ersten Ton Zappa’s These, die damals für manchen durchaus nachvollziehbar gewesen sein mag, die bei diesem Konzert in Neuburg aber ganz sicher nicht gilt. Raible bewegte sich schon früh im Windschatten der damaligen Größen, überzeugte als deren Nachlassverwalter, als souveräner Interpret bekannter und weniger bekannter Stücke aus deren Federn, als glänzender Solist und umsichtiger Bandleader.
Aktuell allerdings lotst er Bud Powell’s „Un Poco Loco“, Dizzy Gillespie’s „Tin Tin Deo“ und Thelonious Monk’s „Blue Monk“ auf neues Terrain und garniert die Setlist mit eigenen Stücken wie „Accelerando In Blue“ oder „What Love Exotique“, das er nach den Changes von Cole Porter’s „What Is This Thing Called Love“ geschrieben hat. Die Band mit Raible, seinem langjährigen Weggefährten Xaver Hellmeier am Schlagzeug und Miloš Čolovič aus Belgrad am Kontrabass marschiert über vergleichsweise weite Strecken gemeinsam, es gibt viele festgesetzte Elemente, weniger die für das Genre oft so typischen ellenlangen, dafür mehr gestraffte und deswegen stringente Soli, in denen die Bandmitglieder ungemein treffsicher auf den Punkt kommen und niemals das gemeinsame Ziel aus dem Auge verlieren.
Logik und Nachvollziehbarkeit, gepaart mit Eleganz und Nonchalance, zeichnen Čolovič aus, Hellmeier tut sich mit einigen Soli hervor und genügt dabei höchsten Ansprüchen und Raible brilliert, bequem und entspannt auf einem Küchenstuhl statt auf einem Klavierhocker sitzend, mit rasenden Läufen, die er präsentiert, als schüttele er sie mal eben so aus dem Ärmel. Was er in der Tat auch tut, dabei die gesamte Klaviatur abschreitend. Wenn er mit Akkorden, die auch mal dissonant sein dürfen und wie Querschläger anmuten, immer wieder die wie geschmiert vor sich hin schnurrenden Läufe aufreißt, Melodien gegen den Stich bürstet und bis zur Verfremdung variiert, dann hat das zwar sehr viel mit den alten Blue Note-Einspielungen von einst zu tun, riecht jedoch alles andere als komisch.
Im Gegenteil. Was Raible und seine Begleiter ihrem Publikum anbieten, ist nicht nur beste Unterhaltung mit Standards und Eigenkompositionen, wobei letztere allesamt das Zeug dazu hätten, selber ins Real Book aufgenommen zu werden, sondern auch eine Frischzellenkur für ein Genre, das in der Geschichte des Jazz eine führende Rolle einnimmt. Auch heute noch. Oder besser gesagt: Erfreulicherweise heute wieder, auch dank Musikern wie Raible, die über die nötige Sturheit verfügen, sich nicht von ihrem Weg abbringen zu lassen und, indem sie ihn gehen, ihre Musik immer wieder neu definieren, ohne die Altvorderen auch nur eine Sekunde lang zu kopieren. Ein herausragendes Konzert mit einem Claus Raible Trio in Hochform.