Drei Musiker laufen sich eher zufällig über den Weg, entdecken schnell, dass sie musikalisch ähnlich ticken, über eine gemeinsame Art von Humor verfügen und tun sich in Paris zusammen, um ein Jazz-Trio zu gründen. Nach ihren Initialen nennen sie es M.O.M. Und nun spielen die Zwillingsbrüder François und Louis Moutin Kontrabass und Schlagzeug und Jowee Omicil bedient alles, in das man hineinblasen kann, diverse Saxofone und Klarinetten, Trompeten, sogar eine Melodica.
Das Birdland-Konzert des Trios ist einzigartig. Weil sich wohl keiner im Keller unter der ehemaligen Hofapotheke daran erinnern kann, jemals derart viel und spontan entstandenen Klamauk binnen gut zweier Stunden dort erlebt zu haben. Von der ersten Minute an lässt Omicil die Saxofone quietschen, quieken, brüllen, schreien und lauthals losprusten, legt sich Louis Martin mit Trommelkaskaden à la Ginger Baker mächtig ins Zeug, lässt sein Bruder François mit mächtigem Sound die Saiten schnarren und donnert mit enormen Druck das Fundament ins Gewölbe. Das Konzert ist eine einzige lange Improvisation, aber weder die kleinen, zärtlichen Figuren noch die gewaltigen Eruptionen, zwischen denen es ständig hin und her geht, führen ziellos irgendwo hin, nein, in all dem Klamauk, in dem über das Birdland, Neuburg und Gastgeber Manfred Rehm gerappt und in die das Auditorium mit eingebunden wird, liegt eine systemische Ordnung. Immer wieder kommt das Trio zur allgemeinen Verblüffung an Stellen mit punktgenauem, perfekt getimten Stops oder Richtungswechseln. Die Mothers Of Invention machten früher mal Ähnliches, hier aber schaut das nicht nach einem ausgetüftelten Konzept aus – was es natürlich trotz allem auch ist – sondern nach enorm viel Spaß und guter Laune, wirkt weder anbiedernd noch aufgesetzt.
Natürlich ist das Publikum begeistert. Musiker und Auditorium stecken sich gegenseitig an, vor der Pause bietet die Band den Leuten, die längst zu Fans geworden sind, eine komplett durchgeknallte Version von Miles Davis‘ „Jean Pierre“ an, nach der Pause muss Sonny Rollins‘ „Oleo“ dran glauben. Es ist ein extrem körperliches Konzert, die Moutin-Brüder sind bereits am Ende der ersten Hälfte komplett nassgeschwitzt, haben sich wie Omicil völlig verausgabt, aber nie die Kontrolle verloren. Sie feuern sie sich gegenseitig an, mit Gesten, mit in den Raum und damit den Partnern zur Verfügung gestellten Figuren oder auch direkt. „Hör endlich auf mit dem Quatschen. Lasst uns lieber Krach machen!“, so Louis voller Tatendrang, dem die Ansage von Bruder François ganz einfach zu lange dauert.
Auch wenn das Trio in der zweiten Halbzeit das Energielevel ein klein wenig herunterschraubt, ist noch jede Menge los. Omicil spielt plötzlich mit Stirnlampe und keiner weiß, warum. Weil’s ihm gerade Spaß macht, vermutlich. So wie das ganze Konzert Spaß macht, die ekstatischen Abschnitte ebenso wie die ruhigeren im zweiten Teil. „Does Humor Belong in Music?“ fragte Frank Zappa bereits 1986 und gab die Antwort gleich selber. Selbstverständlich! Damals und auch hier im Birdland, sobald er nur befreiende Wirkung hat. Allzu bierernst geht es auch in der Musik ja oft genug zu. Nachhörtermin für dieses Konzert des 14.Birdland Radio Jazz Festivals ist am Freitag, 22. November, ab 23.05 auf BR Klassik.