Lynne Arriale Trio | 06.04.2024

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Lynne Arriale ist nicht nur eine Pianistin der Extraklasse, sie blickt auch weit über den Tellerrand der Musik hinaus mit wachen Augen in die Welt, versteht ihre Musik immer auch als Kommentar auf das, was geschieht. Gemeinsam mit den beiden ausgezeichneten Triopartnern Alon Near am Bass und Lukasz Zyta am Schlagzeug gab sie einmal mehr ein überragendes Konzert in der so alt-ehrwürdigen wie quicklebendigen Birdland-Reihe »Art of Piano«.

Mit »Passion« und »Courage« eröffnete das Lynne Arriale Trio ein Konzert der Sonderklasse, orchestral und feinsinnig, resolut und grazil zugleich. Ja, Mut und Leidenschaft sind gefragt in Zeiten, in denen so Vieles auf dem Kopf zu stehen scheint, so viele Gewissheiten verloren zu sein scheinen und Orientierungslosigkeit die merkwürdigsten Blüten trägt: »Couriosity«.

Geradezu seismografiosch ist da Lynne Arrials Musik, deren aktuelles Album »Beeing Human« unmittelbar Marcel Reifs ergreifenden Appell vor dem Deutschen Bundestag assoziiert: »Sei ein Mensch!«.

Jedes einzelne Stück widmet Lynne Arriale Menschen, die als Vorbilder dienen mögen, »Persistance« etwa der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, einer Kinderrechtsaktivistin aus Afghanistan, »Heart« der ukrainischen Krankenschweater »Khrystyna Lopatenko«, die wie so viele ihrer Landsleute für Freiheit, Tatkraft und Zuwendung einsteht mitten im Krieg.

Lynne Arriale ist seit mehr als zwanzig Jahren gern gesehener Gast im Neuburg Jazzkeller, ihr zugleich zupackendes wie poetischen Klavierspiel steht für höchste musikalische Qualität, konzentrierte Substanz, Sensibilität, Phantasie und Energie sowie lautmalerisches Erzählen. »Dance in the Rain« ist so ein Song, der nach einem traumwandlerischen, lyrisch kantablen Bass-Intro in selbstvergessen perlender Versunkenheit das pure Leben unmittelbar spüren lässt.

»Soul« wiederum enthält jede Menge Groove, zeigt das Trio mit Spannung und Zugkraft von der zupackenden Seite. Glasklar der Anschlag am Bösendorfer, jederzeit identifizierbar, markant und unbeirrt die Dynamik, ungemein variabel und ausdrucksstark das Klangbild. Dazu die beiden Triopartner: Sowohl der sensitive Alon Near, eine echte Entdeckung am Kontrabass, und Lukasz Zyta, ein Muster an agiler Empathie, bewegen sich stets auf Augenhöhe, in beredtem Dialog mit dem kreativen Momentum, nicht zuletzt in einer ergreifenden Version von Paul McCartneys »Let It Be«.
Denn aller Skepsis zum Trotz: Am Ende bleiben »Faith«, in hymnischer Hingabe, »Joy« in optimistischem Schwung und jene Zuversicht, die aus der menschlichsten aller Haltungen schöpft: »Love«!