Lynne Arriale Trio | 25.05.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Dies ist das letzte Konzert im Birdland Jazzclub vor der Sommerpause. Bis Mitte September wird nun die Tür, durch die man hinunter gelangt in den Club in Neuburgs oberer Altstadt, geschlossen bleiben. Da trifft es sich überaus gut, dass am letzten Abend mit der Pianistin Lynne Arriale eine Künstlerin zu Gast ist, deren Musik über einen lang anhaltenden Nachhall verfügt.

Bereits mit den ersten Takten meint man, man kenne sie schon ewig. Selten gastiert jemand im Birdland, der so schnell Kontakt und emotionale Verbundenheit zum Publikum herstellen kann wie diese Pianistin. In den Titeln aus ihrem neuen Album „Give us These Days“, in dem es darum geht, trotz oder gerade wegen der Unberechenbarkeit und der Unbeständigkeit des Lebens jeden Moment bewusst zu genießen, findet man sich wieder. Wenn Lynne Arriale sich im Spiel emotional öffnet, ist man ganz nah bei ihr, wird auf eine ganz ungewöhnliche Art zum Komplizen, vielleicht sogar zum Seelenverwandten. Natürlich muss man sich auf diese Musik, die nicht nur wunderbar fließt, sondern auch spürbar eine spirituelle Kraft in sich trägt, erst einmal einlassen. Gelingt einem das, tut sich bei manchem Stück eine ganz neue Welt auf.

Lynne Arriale, Jasper Somsen am Kontrabass und E.J. Strickland am Schlagzeug erzählen Geschichten, und zwar auf eine unaufgeregte, unaufdringliche, poetische Art. Sie können auch mal kraftvoll zupacken, besonders meisterlich aber sind sie immer dann, wenn sie mit Liebe fürs Detail die sparsame Variante bevorzugen. Weder Arriale noch Somsen sind Musiker, die in Höllentempo über Tasten oder über Bünde jagen würden. Nein, es geht vielmehr um den subtilen Zugriff und um Passagen, in denen jede Note perfekt an ihren Platz passt. Ästhetik, Geschmack und ein untrügliches Gespür für das optimale Arrangement sind die Eckpfeiler dieser reifen, eleganten, wunderschönen Musik. Unter diesen Voraussetzungen werden letztendlich sogar einst für die Popwelt konzipierte Songs wie Joni Mitchell’s „Woodstock“, George Harrison‘s „Here Comes The Sun“, Paul McCartney’s „Let It Be“ und Debbie Harry’s „Call Me“ noch einmal erwachsen. So hinreißend arrangiert und gehaltvoll wie in Miss Arriale’s Version hat man sie wahrlich selten gehört.

Ganz am Ende des Abends steht dann noch „Arise“, eine an Intensität nicht mehr zu übertreffende Ballade, ungemein ergreifend und fürwahr zum Niederknien, gespielt von einer Künstlerin, vor der man spätestens jetzt nur noch den Hut ziehen kann. Danach kann und darf nichts mehr kommen, nur noch euphorischer Applaus. Und ab dann beginnt der Nachhall.