Lynne Arriale Trio | 25.05.2019

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Geschmack, Understatement und feinsinnige Musikalität: Das 210. Konzert der Reihe Art of Piano im Neuburger Birdland Jazzclub bot modernen Trio-Jazz der Extraklasse. Lynne Arriale, ihres Zeichens Professorin für Jazz Piano an der University of North Florida in Jacksonville, steht für Spielkultur, Finesse und Energie. Da steht nichts still, immer ist Bewegung angesagt, Intensität und Intelligenz. Mit glasklarem Anschlag sprudeln die Töne aus vollen Händen in den Raum, unablässig, schöpferisch, je konkret verortet im Reich zwischen klassischen Impulsen – „Appassionata“ , Pop-Perlen und klassischen Jazzstandards. Da erinnert Joni Mitchells Woodstock an den Urknall von Love and Peace, schwelgt George Harrisons „Here Comes the Sun“, gibt Blondies „Call Me“ dem Hardbop einen Stups, springt Thelonious Monks „Bemsha Swing“ fröhlich durch die Reihen. Auch Emotionen kommen nicht zu kurz, Paul McCartneys „Let It Be“ dürfte selten so karg und zugleich berührend erklungen sein, und Arriales eigene 9/11 inspirierte Ballade „Arise“ geht zu Herzen.

Jasper Somsen am Bass steht ihr als verlässlicher und profunder Begleiter zur Seite. Empathisch, vorausschauend und sorgsam bringt er das Geschehen ebenso mit voran wie der überaus agile Schlagzeuger E.J. Strickland. In dessen Spiel zeigt sich indes ab und an, dass Präsenz, Druck, Saft und Kraft nicht zwingend mit Lautstärke verbunden sein müssen, sondern auch der Kunst der Dosierung bedürfen.

Hellwach ist das Trio, nicht nur musikalisch. In einer ihrer – zuweilen recht ausufernden – Ansagen macht Lynne Arriale dem Trump-Frust so vieler US-Amerikaner Luft und setzt ihre Hoffnung auf eine Zeit, in denen nicht mehr täglich Lügen durch den Äther getwittert werden.

So setzt sie in „Slightly Off-Center“ wie in „Give Us These Days“, in dezentem Trotz und bei allem Respekt vor der Unberechenbarkeit des Lebens ein deutliches Zeichen für die Kraft der Wahrhaftigkeit.