Lyambiko | 15.02.2002

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Mehr als einmal im Laufe von 120 Minuten überlegt man, was wohl Ella auf der himmlischen Tonleiter zu einem Konzert wie diesem und der Protagonistin gesagt hätte. Vielleicht „Kindchen geh üben“, und weil es die First Lady Of Song zu Lebzeiten nie an der nötigen Deutlichkeit vermissen hatte lassen: „Oder versuch`s mal als Model!“

Lyambiko wie auch der euphorische Teil des Publikums im Neuburger „Birdland“-Jazzclub würden solche Worte wohl kaum verstehen. Denn die Sängerin, Tochter afrikanisch-deutscher Eltern und mit jeder Menge Vorschusslorbeeren aus der Berliner Szene angereist, wähnt sich in einer seit Sarah Vaughan, Billie Holiday und eben Ella Fitzgerald klaffenden Marktlücke. Die clevere Eigenvermarktung („The most beautiful Voice in Swing, Latin and Soul Jazz“) hat jedenfalls dazu geführt, dass der Keller unter der Hofapotheke bei einer in unseren Breitengraden noch völlig unbekannten Vokalistin wieder einmal aus allen Nähten platzt. Was wollen all die Leute bloß? Gucken oder Hören? Oder vielleicht beides? Der klassische Fall des derzeit grassierenden Jane-Monheit-Syndroms.

Zunächst dominiert die optische Komponente. Eine hauchzarte Verführung im schlichten, hautengen Cocktailkleid, die sich anmutig durch ihr Repertoire schlängelt, wohl dosierte Prisen natürlicher Erotik verströmt, ohne damit gleich zu überziehen. Das kommt gut an. Lyambiko weiß, wie Frau sich verkaufen muss, um zu faszinieren, zu begeistern und manchmal auch eigene Unfertigkeiten zu überspielen.

Während die junge Sängerin nämlich in den samtweichen, fast geflüsterten Balladen durchaus hält, was der vollmundige Werbetext verspricht, stößt sie bei forschen Up-Tempo-Nummern wie „Shiny Stockings“ immer wieder deutlich an ihre Grenzen. Plötzlich verwäscht die zuvor weitgehend exakte Phrasierung, und das wie geschmiert funktionierende, ungeheuer anpassungsfähige Begleittrio muss ganz zwangsläufig die Führung übernehmen.

Dies tut es mehr als professionell, um nicht zu sagen grandios. Drummer Torsten Zwingenberger schüttelt die Fills megaelegant aus dem Handgelenk und Bassist Robin Draganic addiert kontemplative Drops auf dem Bass hinzu. Heimlicher Star des Abends ist freilich Pianist Marque Lowenthal, ehedem Tastenmann der Krautrockgruppe „Embryo“, dessen herrlich perlende Bluesfiguren sich immer wieder um die Dame am Mikrofon schlängeln und sie auf den richtigen Weg zu bugsieren versuchen.

Den findet Lyambiko auch tatsächlich einmal im hinreißenden „Afro Blue“, wo sie zusammen mit Zwingenbergers Congas eine geheimnisvolle, dunkle Aura aus Voodoo, Jazz und Emotion herauf beschwört. Ansonsten prägen vor allem die völlig daneben geratenen Zugaben „Proud Mary“ und „Take Five“ das Bild eines merkwürdigen, indifferenten, allenfalls von der oberflächlichen Atmosphäre her überzeugenden Abends. Denn während die selige Ella selbst auf einem Tonträger noch immer strahlt wie ein Kraftwerk, glimmt bei Lyambiko allenfalls ein winziges Lichtlein.