Lorenzo Petrocca Quartet feat. Gianni Basso | 28.11.1998

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Es gab einmal Zeiten, da hieß es, Jazz sei ausschließlich eine Sache der Amerikaner oder der älteren Generation. Heute gehört es längst zur globalen Normalität, wenn ein italienischer Tenorsaxophon-Pionier mit 67 Jahren einen hochbegabten, gitarrespielenden 29jährigen Landsmann zum entrückten Tête à Tête auf die Bühne bittet, seine Mannschaft aus dem überreichen Fundus deutscher Swinger aufstockt und ein verwöhntes Publikum wie das im Neuburger „Birdland“-Jazzclub über zwei Stunden hinweg in Atem zu halten versteht.

Gianni Basso, der klangsinnige Ästhet und Romantiker aus Asti, der in seiner bewegten Vergangenheit mit Chet Baker, Billie Holiday oder Lionel Hampton musizierte, macht dies nicht zum ersten Mal. Seine „Euro-Konzerte“ mit dem Trompeter Dusko Gojkovic gehören zu den absoluten Birdland-Sternstunden und legten ein nachhaltiges Zeugnis über dessen seltene Fähigkeit ab, erst an der Seite eines ebenbürtigen Partners seinen mächtigen Ton in voller Pracht entfalten zu können. Bassos Duellant hieß diesmal Lorenzo Petrocca, in Neuburg gleichfalls kein Unbekannter und einer der wenigen wirklich ernstzunehmenden Fackelträger an den metallenen sechs Saiten.

Während der ältere der beiden (nur äußerlich ungleichen) Leader aus jener Epoche stammt, in der man sich wenig um Modetrends oder Entwicklungen scherte, einfach nur spielte, was einem Spaß machte und damit jede Menge Erfolg einheimste, spürt der jüngere in seiner Wahlheimat Stuttgart zunehmend den Druck des Zeitgeistes und die Ellenbogen der Konkurrenz. Doch Lorenzo Petrocca weiß neben seinem überreichen Talent auch eine Portion Beharrlichkeit und der Vergleich mit bewunderten Vorbildern wie Basso vonnöten ist, um sich im Haifischbecken des Jazz freizuschwimmen.

In der relaxten Kelleratmosphäre agieren beide erstaunlich konvergent, reiben sich freudig aneinander und lauschen gegenseitig auf ihre Statements. Reife Abgeklärtheit trifft jugendliche Power und multipliziert sich im unterbewußten Einverständnis mit der Potenz eines feinen, quirligen Rhythmustrios um den Pianisten Thilo Wagner (spritzig soulful, manchmal mit zuviel Noten), den Bassisten David Petrocca (gediegen, aber eine Spur zu laut) und den Drummer Gregor Beck, einer Groovemaschine par excellence.

Petroccas kristallklare, technisch höchsten Ansprüchen genügende, aber dennoch allzeit nachvollziehbare Singlenotes tropfen wie heißes Kerzenwachs auf die sensibel-erdigen, luftigen Tenorschleifen Bassos. Der wiederum benützt seine frappierende Leichtigkeit und sein geschmeidiges Vibrato in Balladen wie „Moon Over Asti“ oder „Like Someone In Love“, um die Gitarre in eine entspannte Laid-Back-Hemisphäre voller warmer Farben zu geleiten.

Beim kollektiven Blues laufen schließlich die Schwungräder des Quintetts heiß, bei „Snap Shot“, einem Bebop-Heizer erster Güte, sprühen die Funken, die Schienen glühen. Ein Bandexpress, der unaufhörlich Richtung swingende Glücksseligkeit rollt und dabei dankenswerterweise auch sein Publikum mitnimmt.