Don Braden Quartet | 08.01.1999

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Saxophonspielen kann so einfach sein. Nur der gerade vorherrschende Zeitgeist macht den Umgang mit dem populärsten Instrument des Jazz für die Protagonisten manchmal richtig schwer. Don Braden aus Louisville/Kentucky mußte über zehn Jahre hinweg schmerzlich erfahren, daß jeder noch so originelle Ton aus seinem Horn einfach an den übermächtigen Vorbildern John Coltrane, Sonny Rollins oder Lester Young abprallte. Gerade beim Tenorsax schien alles, was möglich war, längst geblasen. Das Publikum belächelte die potentiellen Erben eine Weile nur als billige Imitatoren.

Während viele ob dieser zermürbenden Situation resigniert aufgaben, bewies Braden Durchhaltevermögen. Im Nachhinein kann der 35jährige tatsächlich froh über soviel Sturheit sein. Obwohl sich sein Spiel seit den Tagen, als ihn Wynton Marsalis, Betty Carter und Freddy Hubbard entdeckten, kaum veränderte, nutzt er heute geschickt das wiedererwachte Interesse an Saxophonisten zu seinen Gunsten und zählt inzwischen gar zu den Leittieren der amerikanischen „Young Lions“, einem Rudel junger, erfolgshungriger Jazzmusiker.

Ehre, wem Ehre gebührt: beim Auftaktkonzert des neuen Jahres im vollbesetzten Neuburger „Birdland“-Jazzclub befriedigten Don Braden und sein Quartett zweieinhalb Stunden lang die tief schlummernden Sehnsüchte nach knisterndem Hardbop und prickelnden Sax-Crys. Der Bandleader beherrscht die hohe Kunst der dramatischen Steigerung und Ausformung seiner Soli ebenso, wie dreckige Licks, Überblastricks, elegant geschwungene Linien und gehauchtes Vibrato. Keine Experimente, keine modischen Gimmicks; dafür ausgereifte, hohe Technik. Sein luftiger, warmer, blueslastiger Sound fügt sich intuitiv in jedes Temposchema, paßt in jeden der sorgsam ausgewählten und frech verkleideten Standards.

Herbie Hancocks „Maiden Voyage“ offeriert Braden als spröde, verzinkte Ballade, die sich langsam wie eine Nachtblume öffnet. Die groovegeschwängerte Aura von Hank Mobleys „Soul Station“ läßt den Hofapothekenkeller wie einen Downtown-Schuppen vibrieren, während sich die Eigenkomposition „Dust Kicker“ in einen wahren elegischen Rausch steigert, bei dem jedes Ensemblemitglied knallbunte Raketen abfeuern darf. Die erklärte Devise: einmal Siedepunkt und zurück.

Obwohl Don Braden eindeutig die Hauptrolle inne hat, genießen vor allem seine Rhythmiker einen für diese musikalische Konstellation äußerst raren Freiraum. Bassist Richie Goods etwa setzte im „Birdland“ mit seiner deutlichen Vorliebe für funky Drops und soulige Ostinati unverkennbare Akzente, während die Drum-Ikone Cecil Brooks III mit der Präzision einer Maschine Figuren kreuzen ließ, wuchtige Fills setzte oder mit den Besen über die Becken schlurfte. Mit ihnen und dem im Vergleich dazu recht braven Pianisten Xavier Davis kann Don Bradens „Voice Of Saxophone“ (so ein Songtitel) nach Herzenslust draufloserzählen: einige der anregendsten Jazzgeschichten, die die Gegenwart zu bieten hat.