Johannes Mössinger Piano Solo | 22.01.1999

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Solo – allein mit sich selbst, 88 Tasten und zwei Pedalen: Jazzpianisten erschaudern schon beim bloßen Gedanken, sich völlig ohne den Schutz eines lärmenden Quintetts vor Publikum exhibitionieren zu müssen. Ständig die Spannung aufrecht zu halten, alleine für Rhythmus, Melodie, dramatische Abstufungen oder den Unterhaltungswert verantwortlich zu sein, das mag allenfalls Tasten-Schöngeistern wie Keith Jarrett gefallen, die ihre Kunst schon immer nah an der Schnittstelle zur Klassik ansiedelten. Des traditionellen Bebopers Sache ist dies dagegen kaum.

Deshalb bedarf es schon des genauen Abwägens, wenn sich ein Klavierspieler wie Johannes Mössinger tatsächlich auf Solofüße stellen will. Mit den entsprechenden technischen Fähigkeiten und einer gesunden Portion Selbstbewußtsein kann sich die auf den ersten Blick ziemlich selbstmörderische Absicht des Freiburgers aber sogar als ideal für den Start in eine Jazzkarriere erweisen. An Mössingers Standpunkt, daß es Pianotrios wie Sand am Meer gebe, dafür jedoch kaum alleinstehende Elfenbeiner, ist nämlich durchaus was dran. Sein Debütalbum erntete gute Kritiken und die derzeit laufende Deutschlandtournee rückte ihn schlagartig ins Rampenlicht, auch wenn der Neuburger „Birdland“-Jazzclub beim Gastspiel des 34jährigen allenfalls zur Hälfte gefüllt war.

Einen ambitionierten Künstler bringt so etwas nicht aus der Fassung. Vom ersten Ton an konstruiert Mössinger seine Themen mit Sorgfalt und Stil, taumelt keineswegs klangverliebt durch ein Labyrinth von Arpeggios, Akkorden und Triolen, sondern verzichtet erfreulich oft auf überflüssigen Ballast. Seine anschlagsbewußten, dezidiert gedämpften Songs wirken, als ob wolkenverhangene Landschaften im Zeitraffer vor dem Auge des Zuhörers auf- und abziehen. Im besten Jarrett`schen Sinn agiert der Breisgauer formstreng, kombiniert donnernde Cluster mit wohligen Harmonien, läßt energische Blueslinien auf sphärische Synkopen tropfen und beeindruckt durch mutige Wendungen.

Daß sich Mössinger freilich in seinem Bemühen, einen möglichst weiten Bogen um die populistische Swingkiste zu machen und stattdessen aus anspruchsvolleren Töpfen zu schöpfen, von der spontanen Intention des Jazz entfernt, war fast zu erwarten. Konzertantes Piano bleibt, bei Lichte betrachtet, eben ein ureigenes Element der Klassik. Was der Protagonist auch irgendwie mit Titeln wie „Wandlung (Changes)“ oder „Feuertanz“ bestätigt. Die eigenen Wurzeln auszureißen, das fällt vor allem den deutschen Jazzern sichtlich schwer.

Einen vielversprechenden Ansatz liefert Johannes Mössinger allemal. Etwas mehr von der fast befreienden, boogiedurchtränkten Leichtigkeit des Ellington-Standards „Things Ain`t What They Used To Be“ bei der Zugabe, nur ein kleines bißchen weniger verkrampfte Kopflastigkeit; fertig wäre ein Stil, mit dem sich auch auf internationaler Ebene eine große Karriere einläuten ließe.