Loren Stillman Trio | 10.02.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Loren Stillman, Tenor- und Altsaxofonist, Komponist und Band­leader, geboren in London, heute im US-Bundesstaat Montana zu Hause. „Weil da weniger Leute sind,“ wie er im Laufe seines Konzerts im Neuburger Birdland sagt. Zur Zeit von Corona lebte er in Köln und lernte dort den Schlagzeuger Jones Burgwinkel und den Bassisten Ro­bert Landfermann kennen, die beide seit Jahren zum Besten gehören, was Deutschland in Sachen Jazz zu bieten hat.

Da sieht man mal wieder, dass sogar eine Pandemie etwas Gutes zur Folge haben kann. Das Trio aus diesen Musi­kern zum Beispiel, das sich immer dann trifft und ein paar Gigs spielt, wenn Still­man im Lande ist. Was kein leichtes Un­terfangen ist, weil man sich ja erst wie­der zusammenfinden muss, noch dazu angesichts einer Musik, hinter der ein Plan steht, nämlich der, „frei“ zu agieren, gleichzeitig aber die Details der musika­lischen Form nicht aus den Augen zu verlieren. Das stellt ein Trio, das impro­visieren will, vor eine nicht zu unter­schätzende Herausforderung und setzt beim Publikum Konzentrationsbereit­schaft voraus.

Stillman, durch seine Zusammenarbeit mit Charlie Haden. Paul Motion, Carla Bley und John Abercrombie als Vertreter des Post-Bop in der Szene fest verankert, beginnt mit „Backyard“, „Unsung“ „Time And Again“ und „Fearless Drea­mer“ aus eigener Feder. Das sind die Stücke auf der Setlist, die schwerer zu­gänglich sind, verraten aber auch in be­sonderer Weise das Erbe von Lee Konitz, Warne Marsh und Paul Motian, dem sich Stillman verbunden fühlt. Nach der Pau­se kommt die Zeit für die typischen Be­bop-Themen wie in „Waterworks“ und „Folk Song“, für den unwiderstehlichen Groove von „Between The Devil And God“ und für die Adaptionen. Jim Pepper’s „Wichi Tia To“ und Charlie Ha­den’s „In The Moment“ sind Muster­beispiele für Bearbeitungen, bei denen das Original in all seiner Schönheit und Einzigartigkeit erhalten bleibt, ohne dass deswegen derjenige, der sich ihrer an­nimmt, an Eigenständigkeit verlöre.

Stillmans lange Bögen sind ein Genuss, sein Spiel ist geprägt von großer Intensi­tät, ohne dass er darum ein großes Ge­wese machen würde. Landfermann ent­lockt seinem Bass einen warmen und doch so ungemein prägnanten Ton und sein mit dem Bogen gespieltes Intro als Einstieg ins zweite Set ist von geradezu hinreißender Eleganz. Und Burgwinkel ist – um es ganz kurz auf den Punkt zu bringen – ein Meisterdrummer. Was ihm innerhalb des ausgesteckten Parcours einfällt, ist einmal mehr sensationell. Was auch immer ihm spontan passend erscheint, wird per Hände, Arme, Beine und Füße in Rhythmus umgesetzt. Das kann sich durchaus mal sperrig anfühlen oder anhören, aber man kann sich sicher sein, dass in seinem Inneren quasi per­manent ein Metronom mitläuft und den Beat vorgibt, eine innere Uhr, deren Ti­cken man zwar nicht unbedingt akustisch wahrnimmt, auf deren Funktionieren man sich aber blind verlassen kann.

Am Ende ist es ein Abend, bei dem so vieles, was Jazz ausmacht, zum Tragen kommt. Spontaneität, Komplexität und die Lust an der freien Entfaltung, Emotionalität und das Wissen um die Exis­tenz von Regeln, kompositorische Viel­falt und interpretatorische Reife, die Lust, etwas auszuprobieren und nicht zu­letzt ein Publikum, das dies alles zu wür­digen weiß, heftig beklatscht und laut­stark um Zugabe bittet.