Aki Takase – Alexander von Schlippenbach | 14.02.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Szene einer Ehe? Da denken die einen an Ingmar Bergmans Filmklassiker gleichen Namens, andere an „Kramer gegen Kramer“ mit Dustin Hoffman und Meryl Streep oder Theodor Fontanes „Effi Briest“ und manch einer vielleicht auch an das, was zuhause täglich abläuft. Alle hingegen, die an diesem Abend in den ausverkauften Birdland Jazzclub nach Neuburg gekommen sind, sind hingerissen vom Spiel von Aki Takase und Alexander von Schlippenbach, die seit mehr als 40 Jahren miteinander verheiratet sind und, ob jeder für sich oder beide zusammen, zu den wichtigsten Pianisten des zeitgenössischen Jazz gehören.

Weil man in einer guten Beziehung vieles zusammen macht, sich aber auch gegenseitig Freiraum gönnt, hat jeder der beiden einen Solopart, bevor sie gemeinsam vierhändig das Gewölbe unter der ehemaligen Hofapotheke auf den Kopf stellen. Takase stolpert quasi ins erste Stück hinein, tastet sich an dessen Harmonie und Thema vorsichtig heran. Ihr Anschlag ist dennoch ungemein wuchtig und als sie sich in der zweiten Nummer mit „Ida Lupino“ aus der Feder der Pianistin Carla Bley beschäftigt, die jene 1966 für – was für eine Duplizität der Ereignisse – ihren Ehemann, den Pianisten Paul Bley, geschrieben hat, mischt sie diese damit auch gehörig auf. Im gleichen Jahr stellte Alexander von Schlippenbach sein Globe Unity Orchestra bei den Berliner Jazztagen vor und setzte sich damit an die Spitze einer Richtung im Jazz, in der freie Spielformen immer wichtiger wurden. Bis heute hat er diese Position nicht mehr abgegeben. In seinem Solopart improvisiert und phantasiert er über Themen von Thelonius Monk und variiert eigene Stücke, stets der Vorgabe folgend, Tabus zu brechen, mit Zitaten zu spielen und gleichzeitig nachvollziehbar zu bleiben.

Duokonzerte dieser beiden Galionsfiguren der Avantgarde, noch dazu solche, die sie vierhändig an ein und demselben Flügel zeigen, sind selten. Dass Manfred Rehm sie gemeinsam noch einmal für einen Auftritt im Birdland gewinnen konnte, kommt denn auch einer kleinen Sensation gleich. Und der Auftritt bereitet ihnen sichtlich Vergnügen. Die beiden ergänzen sich ideal, führen via Tastatur intime, ausgelassene oder tiefgründige Gespräche, wechseln ihre Plätze an den Klavierhockern, sind gleichberechtigt und quasi in Hand in Hand an den weißen und schwarzen Tasten unterwegs, necken und locken sich, zanken sich und vertragen sich wieder. Über stilistische Fragen, Grenzsetzungen oder Abläufe muss nicht mehr diskutiert werden, dafür kennen sie sich viel zu gut, und beide spüren aus dem Moment heraus, was notwendig ist, was das stille Einverständnis belasten oder stören würde. Heile Welt? Nein. Dafür aber für den Zuhörer immens spannende 90 Minuten und für die beiden Tastenvirtuosen auf der Bühne zwei Sets, die auch für sie selbst immer wieder überraschende Momente bereithalten. Das hält anscheinend jung.

Aki Takase feierte im Januar ihren 77. Geburtstag, Alexander von Schlippenbach wird im April 87. Wenn man sie spielen hört und sieht und die Power miterlebt, mit der sie agieren, dann kommt einem vieles in den Sinn, eines aber ganz gewiss nicht. Dass mit zunehmendem Alter automatisch die Kräfte schwinden und sich Rost ansetzen könnte. Nicht bei diesen beiden. Nicht nach dieser mit Verve vollbrachten Energieleistung im Birdland.