Bobo Stenson Trio | 07.02.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Zwei Schläge auf ein Glöckchen, ein Basstupfer, ein paar fast schüchterne Töne am Flügel. So beginnt Andy Beck’s „Spring“ in der Bearbei­tung des schwedischen Pianisten Bobo Stenson. Verhalten, zaghaft und fast un­merklich beginnt der skandinavische Frühling, löst sich die Erstarrung des Winters, machen sich Bewegung und Farben breit. Aquarellene, in sich verwo­bene zuerst, später dann kräftigere.

In „Kingdom Of Coldness“, der letzten Nummer vor der Zugabe, wird Stenson noch einmal auf dieses Bild zurückkom­men, das man sogar als Rahmen sehen kann für ein Konzert, in dem so vieles passiert, das aber dennoch in jeder Phase die Handschrift Stenson’s trägt. Er ist ja beileibe kein Unbekannter. Einer der ers­ten ECM-Künstler überhaupt, langjähri­ger Weggefährte von Jan Garbarek, Charles Lloyd und Tomasz Stanko, Part­ner von Gary Burton, Sonny Rollins und Stan Getz. Ein Pianist, der sich in der Vergangenheit vieler Strömungen, Rich­tungen und Musiker annahm und dies auch heute, mit 80 Jahren, noch tut und dabei auch noch eine völlig eigenständi­ge Stilistik entwickelt hat.

Feiner Anschlag, fragile, kammermusi­kalische, teils minimalistische Interpreta­tionen, eine ungemein lyrische und gleichzeitig reduzierte Ausdrucksweise, bei der Pausen fast ebenso wichtig sind wie gespielte Töne. Große Bedeutung hat für ihn die poetische Komponente, die sich in Klangmalereien ausdrückt. Schriebe jemand den Wettbewerb aus, das Phänomen der Aurora Borealis in Klänge umzusetzen, hätte Stenson beste Chancen. Er mag ein Individualist und seine Vorgehensweise mag ungewöhn­lich, ja, unorthodox sein, aber ein Eigen­brötler ist er deswegen ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Er vertont mit Silvio Rodriguez einen kubanischen Singer/ Songwriter, streift nebenbei Don Cherry und bringt damit den Free Jazz in Erin­nerung, verbeugt sich mit „Unquestioned Answer“ vor dem amerikanischen Kom­ponisten Charles Ives und dessen Werk, gibt via Alfred Janson’s Komposition „Ky And Beautiful Madame Ky“ über den ehemaligen vietnamesischen Macht­haber und seine Gattin eine politische Stellungnahme ab, bevor er und seine Band das Publikum musikalisch mal eben nach Katalonien entführen. Und wer nach Spuren von Bela Bartok und Erik Satie sucht, wird auch sie finden.

Seine Band? Ein Traum! Seit fast zwei Jahrzehnten sind Stenson, der Kontra­bassist Andrers Jormin und der Schlag­zeuger/Perkussionist Jon Fält eine in sich geschlossene Einheit. Trotz weit ausein­ander liegender Quellen schafft es das Trio, die unterschiedlichen Energien zu bündeln, stets neu aufeinander zuzuge­hen, sich immer wieder neu zu finden zu erfinden. Stenson’s klare Konturen, Jor­min’s kraftvoll geerdete Basslinien und Fält’s unorthodoxe, witzige Einfälle an den Trommeln, den Becken und an di­versen Perkussionsinstrumenten sind perfekt aufeinander abgestimmt. Jeder der drei Musiker für sich mag ein Unikat sein, aber jeder von ihnen hat auch eine unbändige Lust auf spontane Kommuni­kation. „Wir haben keine feste Art zu spielen“, sagt Stenson. „Die Dinge kris­tallisieren sich aus dem Moment heraus und wir passen uns an. Das ist die Quint­essenz unserer Musik“. Und die Quintes­senz dieses Abends im Birdland? – Ab­solut außergewöhnlich und sogar für er­fahrene Jazzliebhaber eine Offenbarung.