Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum … Rainer Maria Rilke gilt wie Heinrich Heine als Inbegriff deutscher Lyrik. Beiden setzte die Sängerin Lia Pale im Birdland Jazzclub ein frisch klingendes musikalisches Denkmal.
Ist es sinnvoll, wenn eine deutschsprachige, oberösterreichische Sängerin Heine und Rilke ins Englische übersetzt um diese Texte dann zu singen? Darüber kann trefflich gestritten werden. Zweifelsohne jedoch sind die englische (heute) und die italienische Sprache (zu Zeiten Mozarts) weicher, geschmeidiger, sangestauglicher als die deutsche. So sei also im Dienst der Sanglichkeit vom Pfad der germanistischen Tugend gern auch einmal abgewichen.
Jazz auf den Spuren des romantischen Kunstliedes in der Tradition Franz Schuberts, von tiefem Gefühl ebenso geprägt wie von musikalischer Klasse! Neben der ernsten Stunde Rilkes kam auch die heitere Selbstironie Heinrich Heines nicht zu kurz: Glaub nicht, daß ich mich erschieße, / Wie schlimm auch die Sachen stehn! / Das alles, meine Süße, / Ist mir schon einmal geschehn.
Lia Pale genießt die Begleitung von auserlesenen Musikern: Der Schweizer Matthias Rüeggg am Piano kann als eines der Masterminds der Wiener Musikszene gelten. Der jahrelange Leader des Vienna Art Orchestra zeigte sich als überaus empathischer, phantasievoller, der Tradition des Jazz wie der Klassik in jeder Hinsicht würdiger Pianist, sublim, sensitiv, seidenweich. Und wo beginnt die Nacht? Rüeggs Kompositionen sind den Gedichten wunderbar passend auf den Leib geschneidert.
Hans Strasser am Bass und Ingrid Oberkanins am Schlagzeug sorgen für federnd swingende Beweglichkeit, Herwig Gradischnig am Tenorsaxophon für unzweifelhafte Verortung im Jazz. Lia Pales schlanke, präsente, klare und ungemein präzise Stimme vereint intonationssichere Souveränität mit spielerischer Federleichtigkeit.
Jazz, Romantik und pure Poesie – um es mit Heinrich Heines Buch der Lieder zu sagen: Mein Liebchen, was willst du mehr?