Gerald Clayton Trio | 16.04.2016

Neuburger Rundschau | Barbara Sagel
 

Der schönste Moment ist der, wenn der Groove aus der Klangwelt hervortritt, wenn aus Raum Zeit wird, die Vertikale zur Horizontalen, wenn der Fuß zu wippen beginnt, die Augen sich öffnen, das Herz schneller schlägt. Das Gerald Clayton Trio, das am Samstagabend zahlreiche Gäste zu „Art of Piano“, Ausgabe 179, ins Birdland gelockt hat, schafft immer wieder solche Momente. Da ist zum einen Gerald Clayton selbst. Der Pianist, derinzwischen dem Status „vielversprechender Nachwuchspianist aus bekannter Musikerfamilie“ entwachsene Sohn des bekannten Bassisten John Clayton, gehört wohl inzwischen einfach – oder eben gar nicht einfach aber dennoch – zu den Etablierten. Der bald Zweiunddreißigjährige ist zu einer eigenständigen Größe in der weltweiten Jazzszene geworden. Der Grammy Nominee steht nicht mehr für das, was Jazz sein wird, sondern prägt das, was Jazz heute ist – auch ist: experimentierfreudiges Ausloten der Möglichkeiten mit klaren Bezügen zu dem, was seit den Anfängen des Jazz war. Clayton hat dem ehrwürdigen Bösendorfer im Birdland ein Fender Rhodes gegenüber gestellt. Zugegeben, auch nicht das modernste Instrument, steht dieses elektromechanische Piano der 70er Jahre, das sich immer noch großer Beliebtheit erfreut, dennoch für eine neue Zeit, für einen neuen Sound, für eine Erweiterung der pianistischen Ausdrucksmöglichkeiten. Und diese Möglichkeiten nutzt Clayton, fügt dem Flügelklang die glockigen und dennoch seltsam begrenzten Töne des Rhodes hinzu. Rechte Hand am E-Piano, linke Hand am Flügel – der Amerikaner mit den Dreadlocks, die ihm kunstwerkartig vom Kopf stehen, schafft Klangbilder in locker gesetzten Akkordfolgen, sich einander umspielenden Melodielinien und perlenden Arpeggi. Die Zuhörer sind ganz bei ihm, geben sich der Klangwelt hin. Und dann passiert es, dann schleicht sich irgendwo der Groove hervor, der Rhythmus, so wie oben beschrieben. Manchmal ist es Clayton selbst, der die Akzente klarer setzt, oftmals ist es aber auch sein mindestens kongenialer Drummer Henry Cole, der mit gezielten Kicks die – vorwiegend übrigens aus Eigenkompositionen bestehende – Musik rhythmisch auf den Teppich holt. Und der Puerto Ricaner findet sehr interessante Wege, dem Drumset den Groove zu entlocken. Mit Filz-Schlegeln, Besen, Sticks und Bambusbürsten spielt Cole in eher gemäßigter Schlagzahl aber offenbar unmäßigem Rhythmusgefühl meist so um die eigentlich betonte Zählzeit herum, dass der Beat umso klarer und bezwingend – gleichsam aus dem Nichts – hervortritt. Ganz dicht dabei ist Bassist Harish Raghavan – auch er in Mehrfachfunktion – kreativer Klangweltenschöpfer, virtuoser Taktgeber und gewiefter Harmonieverstärker. Hat etwas gefehlt bei diesem zweifellos sehr guten Konzert? Eigentlich war alles da. Es gab diese Momente… Aber der Funke, das, was wohl außerhalb der Macht und unabhängig vom Können des Einzelnen entsteht, war nicht stark genug, ein Feuer zu entfachen.