Das Gianluca Petrella Quintet zeigte im Neuburger Birdland, wie der Jazz von morgen schon heute klingen kann. Starker Groove mit Jazzrock-Erinnerung, lichte Transparenz, sonorer Sound und behände Soli, das Ganze mit mehr als nur einem Schuss Elektronik. Ein selten zu erlebendes Line-Up trat da an zur interstellaren Reise durch den Kosmos des Jazz. Ohne Harmonieinstrument mit einer neben E-Bass und Schlagzeug durch einen Perkussionisten verstärkten Rhythmusgruppe, an der Frontline zwei energiegeladene Blechbläser an Trompete und Posaune.
Handgemachte Musik und Computer auf der Bühne müssen kein Widerspruch sein. Verwurzelung und Abflug, Basin Street und die Odysee im Weltraum ebenso wenig. Da kann einerseits ein Ring am Finger auf der Wasserflasche den Groove vorgeben, andererseits hochkomplexes Zusammenspiel die Interaktion mehr und mehr verfeinern. Trotz eines relativ hohen Anteils an komponierten Elementen kommt die Spontaneität nicht zu kurz. Ab und an gibt Petrella seinen Mitstreitern auch spontane Anweisungen, ändert im laufenden Stück Arrangement und Ablauf. Immer treibt die Musik und reißt mit zu fast tranceartiger Bewegung. In zwei jeweils gut einstündigen Sets, beide ohne Pause gehen die Motive fast nahtlos ineinander über. Archaische, klassische, jazzige und rockige Elemente vereinen sich zu einem faszinierenden Ganzen. Francesco Ponticelli am Bass, Federico Scettri am Schlagzeug und Simone Padovani an der Perkussion weben einen energetischen, dichten, in tausend tanzenden Facetten funkelnden Groove. Darüber erheben sich je und je Melodien und Duette, elegisch, melancholisch, hart punktiert, explosiv und lichterloh. Mirco Rubegnis vibratoarme Trompete zeigt die ganze Bandbreite zwischen Freddie Hubbards Hochgeschwindigkeit und Nils Petter Molværs ätherischer Mystik, blitzschnell und berührend. Gianluca Petrellas kraftvolle, variable Posaune umfasst stilistisch die ganze Tradition des Instruments von der Marching Band bis zu Albert Mangelsdorff, von Kid Ory bis zu Ray Anderson und ein ganzes Stück darüber hinaus. Jazz von morgen – fast wie von einem anderen Stern!