Les Doight de l’homme | 29.04.2011

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Beginn im Bolero, ungerade, vertrackt, dann fegt er los, der Mistral auf 22 Saiten: „Les Doight de l’homme“, drei Gitarren, ein Bass. „Die Finger des Menschen“ sind angetreten, das Erbe nicht nur zu verwalten, sondern weiterzuentwickeln. Im Jahr 2011 erscheint es folgerichtig, den Tribut an Django Reinhardt zu erweitern mit eigenen Mitteln. Selten erklang an der Tradition des Hot Club de France orientierter Gypsy Swing so originell so neu, so frisch, so up to date.

Minor Swing, Sweet Georgia Brown, St. James Infirmary, There Will Never Be Another You, die einschlägigen Standards swingen nur so ineinander, taufrisch, wie wenn die Tinte der Komponisten erst noch trocknen müsste. Wenig Thema, viel spielfreudige Improvisation auch in den eigenen Stücken, dabei mit höchster Präzision des Zusammenspiels: Die drei Gitarristen Olivier Kikteff, Benoit Convert und Yannick Alcocer sowie Tanguy Blum am Bass spielen berückende Musik, injizieren mit tausendfachen kleinen Finessen eine wahre Frischzellenkur ins Stammhirn der Fans.

Die Vier spielen sich die Ideen nur so in die Saiten, ergänzen sich in Groove und Solo zu überaus kreativer Phantasie. Nicht einfach Solowunderkind und Rhythmusgruppe, sondern ein Quartett auf Augenhöhe, dessen vierzig Finger gleichberechtigt über die Saiten fliegen und das Menschen schier Unmögliche aus den Instrumenten zaubern.

Da werden nicht nur technisch die Grenzen ausgelotet, rasant, virtuos und knupserfrisch, immer mit dem Touch des Unerwarteten. Nicht selten gibt’s auch mal etwas schrägere Harmonien, fast psychedelisch anmutende Passagen, spacige Flagoletts im offenen Fluss der Ideen, 2011 eben, unverkennbar in der Tradition verwurzelt, die Zweige weit in den Himmel gestreckt. Das begeisterte Publikum erklatschte diverse Zugaben, fast ein drittes Set!