Lee Konitz & Minsarah | 24.04.2009

Donaukurier | Clara Fiedler
 

Wie präsent er von Anfang an ist, ist unbeschreiblich. Wie er mit nur einem einzigen Ton sein Wesen in den Raum stellt, es in der ersten Linie, die er bläst, ausmalt und zum Fließen bringt und es im Anschluss daran auf das fulminante Dreiergespann Minsarah prallen lässt, erinnert einen unvermittelt daran, mit wem man es hier zu tun hat: Lee Konitz, Der Name, der Ton. Mehr braucht eigentlich nicht gesagt werden.
Und dabei ist er so wandelbar, grinst ins Publikum, runzelt beim Spielen die Stirn, wie im Erstaunen über sich selbst, mustert sein Horn, als sei es kaputt, zuckt die Schultern und beginnt wieder zu blasen; Töne, die da stehen, wie die Mauern einer Kathedrale: unüberwindbar, felsenfest, aber niemals schwer, immer einladend, eine ruhige Kraft ausstrahlend, tief in der Leichtigkeit verwurzelt.
Dann Florian Weber am Piano, Jeff Denson am Bass und Ziv Ravitz am Schlagzeug, die Rhythmusmonster vom „Trio Minsarah“, ebenso sensibel wie urgewaltig.
Sie bauen ungewöhnliche Gebäude, diese drei. Gebäude von halsbrecherischer Absurdität, deren komplexe Architektur bisweilen an ihrer Statik zweifeln lässt. Aber so frei sie sich auch bewegen, die Einheit, die sie bilden, ist unausweichlich, flexibel swingend, von energetisch-treibender Dynamik.
Ravitz’ Grooves sind intensiv, mitreißend, transparent, so natürlich, als spiele er seinen Herzschlag. Denson am Bass gibt jedem Ton die Möglichkeit, in den Raum zu kommen, ihn auszufüllen und Weber fasziniert mal mit perlender Brillanz, dann mit grollender Modalität, fast klassisch-balladeskem Jazzpiano und dann wieder mit diesen feinen funkelnden Linien, mit denen er den Dialog mit Konitz sucht. Immer wieder steht er für sich selbst, der Altmeister, betritt einen neuen Raum mit humorvoll-sonorer Ernsthaftigkeit, das Piano holt ihn ab, nimmt seine Töne auf, füllt den Raum langsam mit der Energie des Trios. Die harmonischen Zusammenhänge, die in diesen Köpfen, in diesen Fingern ablaufen, sind schon lange nicht mehr fassbar.
Mit dem Ohrwurm von „Softly as in the morning Sunrise“ schicken die vier ihr Publikum in die Pause. Konitz steht auf der Bühne, lacht, kokettiert, verteilt Handküsschen, startet auch mit ein paar Witzchen ins zweite Set, in dem er sich insgesamt solistisch aktiver gibt. Die Phrasen werden länger, das Klavier tritt mehr als Begleitinstrument in Erscheinung, Denson greift immer öfter zum Bogen, die Musiker driften auseinander, finden wieder zusammen, gleiten ohne spürbare Grenzen von einer Emotion zur nächsten. Den Applaus quittiert Konitz sinngemäß mit dem Kommentar „Ihr habt einen guten Geschmack“.
Es war nicht zu überhören, dass da ganz unterschiedliche Energien  aufeinander trafen. Und manches Mal hat sich der ein oder andere vielleicht schwer getan, die Korrespondenz zu erkennen. Aber hat nicht jeder, der sich dem Dialog mit dieser Musik übergeben, überlassen hat, schon allein deshalb gewonnen? Muss man das, was da passiert, durchschauen, um zu genießen?
Wahrscheinlich nicht. Schließlich und endlich funktioniert das Prinzip „Lee Konitz“ vor so vielen Hintergründen und „Minsarah“ natürlich für sich selbst. Aber gerade das macht das Zusammentreffen ja so schön.