Lee Konitz – Frank Wunsch Duo | 27.05.2006

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Invitation, Einladung – Der erste Song des Abends sagte schon, worum es ging: Eine Einladung zuzuhören, sich einzulassen auf das Zwiegespräch zweier Musiker, die der Ambivalenz des Lebens mit einem ernsten Lächeln im Herzen auf den Grund zu gehen sich anschicken. Lee Konitz, die Ikone des Cool-Jazz und Frank Wunsch, sein Bochumer Duo-Partner zelebrierten zum Saisonabschluss im Birdland Jazzclub einen Abend von still schimmerndem Glanz.

Wenn irgend jemand beanspruchen darf, als lebender Gründervater des Cool Jazz die Bühne zu betreten, dann ist das Lee Konitz. Gemeinsam mit Frank Wunsch am Piano gab der 79jährige eines seiner unvergesslichen Konzerte im Neuburger Birdland, das siebte in den nun fünfzehn Jahren seit 1991, ein Konzert, das an intimer Musikalität kaum zu überbieten sein dürfte. Duo, das ist der direkte Dialog in Rede und Antwort, im Geben und Nehmen, im Ein- und Ausatmen, im einander Zuhören, Raum Geben, Position Beziehen. „Alone Together“, der Titel eines Broadway-Standards von Arthur Schwartz und Howard Dietz, bringt das in knapper Präzision auf den Punkt.

Lee Konitz hat seinen Platz in der Musikgeschichte; er prägte Ende der 40er wie kaum ein anderer den Stil der Cool-Generation, der der Hitze und Akkordbezogenheit der Bebop-Improvisationen die „coole“ kompositorische und improvisatorische lineare Spielweise entgegensetzte; vor allem für den europäischen Jazz hat Konitz Schaffen unermessliche Bedeutung, war er doch das große Vorbild einer ganzen Generation von Jazzmusikern auf dem alten Kontinent und der große Integrator der Frankfurter Szene um u.a. Albert Mangelsdorff und Attila Zoller, die in den 50ern und frühen 60ern zunehmende Freiheit und Eigenständigkeit sich erarbeitete. Dabei ist Konitz sich über die Jahrzehnte immer treu geblieben. Sein wie gehaucht zupackender Ton hat beides, „Body and Soul“, ist nach wie vor unverwechselbar, seine Linienführung in ihrer schier unerschöpflichen und ungebrochenen melodiösen Kreativität unnachahmlich und überlegen: „Thingin'“.

Der Bochumer Frank Wunsch, seit 1986 Konitz Dauerpartner in Deutschland, ist einer der stillen Kreativen im Lande, gleichfalls ein überlegter Melodiker mit lyrischer Ader und kompositorischer Klasse, was nicht zuletzt „Joana’s Waltz“ eindrucksvoll zeigt. Die behutsame Dynamik seines Anschlags und seine sehr bewusste zurückhaltende Phrasierung zeigen ihn als einen Klangpoeten von nachdrücklicher Dialogfähigkeit. Zu hören war ein Duo der Extraklasse, dessen Partner die eigene Rolle nicht als halbierten Egotrip begreifen, sondern wissen, was die gegenseitige musikalische Ergänzung zweier Persönlichkeiten ermöglicht. Was Lee Konitz und Frank Wunsch im Birdland verwirklichen, ist große Kunst von seelentiefer Stärke. Kein Paukenschlag, sanfter Schimmer beendete die Saison im Birdland.