Al Foster’s „Miles Davis Project“ | 26.05.2006

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Eine äußerst seltene Gelegenheit, binnen acht Tagen zwei Schlagzeuger live erleben zu dürfen, die beide zur Weltspitze der letzten zwanzig Jahre zählen und doch so unterschiedlich sind. Nach Jeff Hamilton gab sich nun Al Foster die Ehre im Birdland Jazzclub, wie ersterer auch er nicht zum ersten Mal. Vorfreude also war berechtigt, zumal der Meister der Drumsticks mit einer erlesenen Crew von Mitstreitern aufwarten konnte bei seinem Projekt zum 80. Geburtstag von Miles Davis. Zumindest Sam Yahel und Eddie Henderson hätten rein nominell schon jeder für sich ggf. weite Anfahrten und den Besuch des Konzerts gelohnt.

Was die Jazzgemeinde in Neuburg und um Neuburg und ziemlich weit um Neuburg herum denn auch zum Anlass nahm, zahlreiche Abgesandte im Birdland in Erscheinung treten zu lassen. Al Foster ist der absolute Meister der Abstraktion, des maximalen Grooves mit minimalen Mitteln. Sein Drumming lässt unglaublich viel Spielraum zur Entfaltung rhythmischen Eigenlebens, tupft Impulse in den Raum, deren Spaces den Groove vermitteln ohne dass er eigens gespielt werden müsste. Das ist ganz im Sinne des Meisters, dem er das aktuelle Projekt gewidmet hat: Miles Davis, geboren am 25. Mai 1926, verstorben am 28. September 1991. Der lebte schließlich neben seinem unstillbaren musikalischen Entwicklungsdrang und der chamäleongleichen Wandlungsfähigkeit wesentlich davon, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, die nicht notwendig zu spielenden Noten eben auch nicht zu spielen, dafür den gespielten alle Sorgfalt zukommen zu lassen. Miles instrumentaler Stilistik ist der 66jährige Trompeter Eddie Henderson sehr nahe. Reduziert auf ein Maximum an Ausdruckskraft lodert hinter dem Harmon-Mute-Dämpfer, den auch der Meister so liebte, eine unauslöschliche Glut, die lodernd hoch züngeln kann, sich zur reinigenden Stichflamme entfaltet um sich sogleich wieder hinter coolem Understatement zu verbergen. Hendersons Soli sind zunächst die Höhepunkte in einem Konzert, das bei allen Vorschusslorbeeren merkwürdig ambivalent blieb, erkennbare Leidenschaft zuweilen deutlich missen ließ. Offenbar hatte sich die Band – als da weiter wären: Davis Jensen am Tenorsaxophon, Sam Yahel am Piano und Doug Weiss am Bass – in einem weiteren Punkt am Vorbild Miles Davis orientiert: Dass man für ein Publikum spielt, das dankbar und sachkundig zuhört, entgeht den fünf Herren auf dem Podium zunächst völlig. In routiniertem Thema-Solo-Thema-Schema, das sich zudem kaum um irgendeine Dramaturgie bemüht, spielen sie Klassiker, die mit Miles Davis als Komponisten oder Interpreten verbunden sind: „Miles“ und „Four“, „Someday My Prince Will Come“ oder „Time after Time“.

Ein Glücksfall für den Abend war ein just zum Geburtstag komponierter Song von Al Foster mit Lyrics von Doug Weiss, „Missing Miles“, zu dessen Uraufführung eigens Silvia Droste aus dem Ruhrgebiet nach Neuburg angereist war. Die Sängerin brachte Gefühl, Leidenschaft und Feuer ins Gewölbe, erwies ihre weitere Referenz an Miles Davis mit „There Will Never Be Another You“ und an dessen musikalische Seelenverwandte Shirley Horn, die Königin der Entschleunigung, mit „You Won’t Forget Me“. Da wacht auch die Band zeitweise auf, der Knoten löst sich nach und nach, merklich Doug Weiss versprüht zunehmend Herzblut. „Bye Bye Blackbird“ geht wirklich unter die Haut. Ganz zum Schluss bei „Sivad“ geht die Bindung der Band dann leider wieder verloren. Ob nun Miles Davis an all dem Gefallen gefunden haben mag auf seiner Wolke, sei frommer Spekulation anheimgestellt. Ein bisschen mehr Leben jedoch hätte man sich gewünscht zum Gedächtnis eines der größten Musiker des vergangenen Jahrhunderts.