Larry Porter Trio | 05.04.2002

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Larry Porter und das „Birdland“: Eine stille, beidseitige, konstante Liäson. Als der Neuburger Jazzclub 1991 sein aktuelles Domizil unter der Hofapotheke bezog, wählte ausgerechnet der unauffällige wie geniale Amerikaner den später viel gelobten Bösendorfer-Flügel aus und eröffnete eigenhändig jene spektakuläre „Art of Piano“-Reihe, die im Laufe der Jahre das gesamte Who`s Who der 88 Tasten an den Donaustrand spülte.

Die Wohnorte wechselten, doch der Kontakt riss nie ab. Nach New York, wo sich der Eremit am Elfenbein als Interpret des afghanischen Saiteninstruments Rebab durchschlug, forscht er inzwischen in Berlin nach unentdeckten Preziosen des Jazz. Und entdeckte mit Oliver Steidle und Johannes Fink zwei Rohdiamanten, mit denen er jetzt erneut in Neuburg „The Art of Piano“ zelebrierte; immerhin schon Nummer 62.

Die beruhigendste Erkenntnis dabei ist, dass Porters kreativer Gedankenstrom auch im 50. Lebensjahr immer noch schnurgerade in Richtung Thelonious Monk fließt. Freilich weniger zur Vergangenheit hin, als in eine imaginäre Zukunft. So wie er hätte der „High Priest of Bebop“ wohl die Klaviatur bearbeitet, wenn er das 21. Jahrhundert noch erlebt hätte: sperrige, verschleppte Bluesformen, synkopiert, dissonant, ungeheuer swingend. Doch bei Monks legitimem Erben wirkt das krude, schrullige Konstrukt aus schlurfenden Noten und unregelmäßigen Tempi heute noch ein bisschen moderner, noch ein wenig frischer als früher.

Vor allem im sensationellen „Bluesanova“. Wenn Fink plötzlich beschwörend wie ein Medizinmann mit dem Bogen auf die Saiten des Kontrabasses schlägt und der verstärkte Korpus wie ehedem Hendrix` sägende Gitarre klingt, dann beginnt das schamanische Hochamt des Larry Porter Trios. Denn während sich Fink mit sirrenden, fliegenden Tönen immer weiter ins Ungeschützte hinauswagt, stützen Porter und Schlagzeuger Steidle den Kollegen mit einem extrem reduzierten Beat. Kurz darauf übernimmt der wunderbare Sonderling an den Tasten die Führung mit einem Solo, das erst an das perkussiv-bluesige Spiel von Horace Silver und dann an die pianistischen Mantren Keith Jarretts erinnert, während Steidle phantastische Absonderlichkeiten aus seinem Set heraustrommelt.

Die Sache scheint klar, auch wenn es vielleicht Larry Porter nicht so gerne hören wird: Das ist akustischer Ambient-Pop und trotzdem bester Jazz, ganz auf den Spuren des derzeit allerorts gefeierten Esbjörn Svensson Trios (EST). Mit einem Unterschied, der die ganze Eigenständigkeit des Handlungsreisenden in Sachen Improvisation hervorhebt. Denn Porter schafft es, die knapp unter der Oberfläche verlaufenden Verbindungslinien zwischen dem alten Monk und dem jungen EST zu Tage zu fördern.

Er und seine Groove-Priester mit der Lizenz zur Transzendenz kommunizieren und interagieren hemmungslos. Der US-Pianist breitet die Arme wie Flügel aus, lässt die Augen rollen, grinst, wiegt sich meditierend oder lupft einfach seinen asketischen Körper in die Höhe. Die Soli verzahnen sich so eng ineinander, dass es beinahe keine Soli mehr sind, sondern nur mehr markante instrumentale Farbtupfer, die dem Publikum kaum Raum für den üblichen Szenenbeifall lassen.

Alles scheint möglich, selbst eine entrückte, innige von jedem nur irgend entbehrlichen Ton befreite Adaption des alten amerikanischen Volksliedes „Oh Susannah“. Am eindrucksvollsten beweist freilich die Nummer „Up and Up“, um was es dem Unruhegeist Larry Porter geht. Die Band dreht sich scheinbar ausweglos in einem dadaistischen Freejazz-Hamsterrad, dem sie elegant mit einem Maximum an rhythmischen Puls und klanglichen Finessen entkommt. Mitten durch das Rock-Schlupfloch.