Larry Porter Trio | 30.05.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Wenn sich alte Freunde irgendwann über den Weg laufen, gibt es ein Menge zu erzählen. Dem einen geht es besser, dem anderen weniger gut. Was beide verbindet, sind die Erinnerungen an die guten alten Tage, die nicht nur dem vom Schicksal Gebeutelten wie Labsal auf der geschundenen Seele anmuten mögen.

Larry Porter war seit vier Jahren nicht mehr im Neuburger „Birdland“, seinem erklärten deutschen Lieblingsclub. Immerhin oblag dem inzwischen von München in seine amerikanische Heimat zurückgekehrten Tastenvirtuosen einst das seltene Privileg, zusammen mit dem großen Oscar Peterson den Bösendorfer-Flügel für den Jazzkeller in der Ottheinrichstadt auszusuchen. Während inzwischen eine ganze Pianisten-Heerschar die gute Wahl lobte und sich das „Birdland“ nicht zuletzt wegen des schwarzglänzenden Prunkstückes zu einer Topadresse in Sachen Jazz mauserte, suchte Porter derweil in New York die seit langem überfällige künstlerische Anerkennung.

Eine Hoffnung, die bislang unerfüllt blieb. Denn in Manhattan schneidet die Szene weitgehend den ideenreichen Improvisator und Komponisten wegen dessen langer Abwesenheit. Larry Porter lebt deshalb sichtlich auf, wenn ihn, wie dieser Tage, eine Einladung guter Bekannter ereilt, die seine aufregende Pianistik, seine emotional-intellektuelle Ader am Elfenbein immer noch wie früher zu schätzen wissen.

Eigens zu Ehren seines „Birdland“-Besuches offerierte der 45jährige zum gut besuchten Saisonabschluß einen schillernden Strauß brandneuer Kompositionen, die allesamt Porters Ruf als eine der heimlichen Größen des modernen Bop-Klaviers untermauern und seine permanente Mißachtung erneut als himmelschreiende Ungerechtigkeit brandmarken. Während andere nämlich mit wesentlich weniger Talent, aber den passenden Beziehungen lukrative Plattenverträge abschließen dürfen, warten grandiose Nummern wie die schwermütige Ballade „Distant Cob“, das funkensprühende „Mercury“, das impressionistische „Blues For The Clay Monster“ oder der Jazzwalzer „Fourtyfour“ wahrscheinlich ewig auf eine Veröffentlichung.

Es sind diese melancholischen Stimmungsbilder, die Larry Porter trotz einer unwiderstehlichen treibenden Kraft so trefflich wie kaum ein anderer zu zeichnen versteht. Soundgemälde von menschenleeren Straßen, einer anonymen Großstadt, einem einsamen Morgen, leise, mit behutsam gesetztem Anschlag und Sinn für Pausen, ohne gleich ins Dramatische zu verfallen. Dabei hilft dem Prototypen des technisch brillanten, sensitiven, harmonisch und modal gleichermaßen versierten Pianisten seine ungebrochene Leidenschaft für Thelonious Monks skurille Ideen, die er nach wie vor zu einer eigenständigen, modernen Aussage verarbeitet.

Jede der sparsam eingeworfenen Singlenoten sitzt, auf sämtliche von Porter in den Raum geworfenen Fragen finden seine Mitstreiter Thomas Stabenow (Kontrabaß) und Guido May (Schlagzeug) eine schlüssige Antwort. Überhaupt: das eng verzahnte, offensiv kommunizierende Trio agiert geschlossen und schafft so aus dem Stand heraus hinreißende Ensemble-Konstruktionen fernab jeglicher Kopflastigkeit. Wie wohltuend, daß solch hohe Kunst wenigstens noch in Neuburg etwas gilt und dort ihren wohlverdienten, langanhaltenden Beifall fand.