Birdland Dixie Band | 31.05.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Über Oldtime-Jazz leichtfertig den Stab zu brechen, gehört bei Kritikerpäpsten fast schon zur Lieblingsübung. Was Wunder, zogen tumbes „Bierdixie“-Ambiente oder Billigimitationen im Stile der „Hot Dogs“ doch diese traditionsreiche, in New Orleans entstandene Musikrichtung über Jahre hinweg ganz tief in den Morast der Trivialität hinab.

Unter solchen Vorzeichen verdient es durchaus Respekt, wenn sich ein begeisterter, am trendmäßigen Frevel absolut uninteressierter Kreis von (im allerbesten Sinn) Amateurmusikern aus Ingolstadt, Neuburg und Umgebung schon seit längerem darum bemüht, das ramponierte Erbe des Dixieland-Jazz nach Kräften aufzupolieren. Mit akribischer Liebe für`s Detail und ihrem untrüglichen Sensor für die Bedürfnisse des Publikums hat sich die „Birdland Dixieband“ im Laufe einer Dekade gänzlich aus dem Schlagschatten der pietätlosen Konkurrenz gelöst und verkörpert gar mustergültig nach zahlreichen Auftritten in Südbayern sowie einer CD-Produktion die Rolle eines kulturellen Aushängeschildes der Region.

Weil das muntere Septett von jeher im Neuburger „Birdland“ Jazzclub Heimrecht genießt, fällt ihm obendrein noch das Privileg zu, stets die offizielle Konzertsaison zu eröffnen und auch wieder beschließen zu dürfen. Ein Turnus, der zuletzt wegen Krankheit eines Bandmitglieds unterbrochen werden mußte. Seit dem Wochenende gehen die Uhren im Gewölbe unter der Hofapotheke jedoch wieder normal. Das bedeutet: schon Tage vor dem ersten Ton ausverkauft, Lampenfieber bei den Akteuren sowie Partytime für die nicht gerade kleine Dixie-Familie über volle drei Stunden hinweg.

In der Tat gibt es seit Jahren in und um Neuburg eine treu ergebene Fanschar, die das „Comeback“ der „Dixies“ ausgehungert erwartete. Und deren Vortrag hat durch die Zwangspause sogar noch an Reife und Spielfreude hinzugewonnen. Die knackigen Schleiftöne, die glühenden Banjofinger, die expressiven Vibrati, die funkensprühenden Pianostrides und die fulminanten Bläsersätze sitzen auf den Punkt. Eine wohlüberlegte Dosierung zwischen klassischen Dampfnummern („Tiger Rag“), hinreißenden Balladen („Don`t You Know What It Means To Miss New Orleans“) und relaxt dahinswingenden Evergreens („My Blue Heaven“, „Makin` Whopee“) läßt das Eis auch beim unkundigen Teil des Publikums in Minutenschnelle schmelzen.

Das eigentliche Verdienst von Helmut Fischer (Trompete), Leon Stromsky (Posaune, Altsaxophon), Gustl Bernhardt (Tenorsaxophon, Klarinette), Christian Hackner (Banjo, Gesang), Stefan Bernhardt (Piano), Wilhelm Fritz (Baß) und Wigg Eder (Schlagzeug) besteht jedoch in ihrer Bereitschaft, den Dixieland-Jazz aus seinem starren Korsett zu befreien. Die Formation integriert problemlos Duke Ellington, Blues oder Ragtime in ihr Repertoire und erschließt sich so einen Hörerkreis, der beträchlich über das schmale Areal der Puristenriege hinausreicht.

Einziges Ärgernis beim „Kehraus“ im Neuburger Jazzkeller: die wirklich aufdringliche Geschwätzigkeit einiger weniger Gäste. Beinahe hätten sich die Musiker sogar von der Bühne herunter für ihre ungebührliche Störung der Tischgespräche entschuldigen müssen. Also doch ein leiser Anflug von „Bier-Dixie“? Nicht mit dieser Band!