Clark Terry | 12.07.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Jazz an der Donau 1997 (Tag unbekannt!)

Irgendwie fasziniert es immer wieder: du kommst nach Neuburg und erlebst dort in kontinuierlicher Abfolge Jazz-Weltstars, die selbst große Metropolen zeitweilig vergeblich jagen. Das Geheimnis liegt im Ruf, der sogar bis in die USA hinüberklingt. Hier existiert noch ein fruchtbares Biotop für diese Musik, während anderswo der Nährboden längst ausgetrocknet ist.

Und dann noch diese Bemerkung: es sei, als ob der Papst in einer Dorfkirche einen Gottesdienst zelebrieren würde, befand ein Gast des „Jazz-an-der-Donau“-Festivals (unter anderem mit dem Blues-Pianisten Christian Willisohn sowie „Alexander`s Jazzband“ und der „Birdland“ Dixieband“) auf den Wiesen des Donauruderclubs. Dabei hatte doch „nur“ der ewig junge amerikanische Trompeter Clark Terry einen Zwischenstop in Neuburg eingelegt, bevor ihm tags darauf in Den Haag beim größten europäischen Jazzfestival der „Bird Award“ für sein Lebenswerk überreicht werden sollte. Terry verkörpert mit seinen mittlerweile 76 Jahren weißgott eine wandelnde Jazzlegende. Bei Duke Ellington und Count Basie gab er in der Hochphase ihrer Orchester den Ton an, seine Technik gilt als Lehrbeispiel für zahllose Kollegen, unter anderem auch Miles Davis.

Dennoch ist es für die graue Eminenz aus St. Louis keine Frage der Professionalität oder des Geldes, bei der mittlerweile sechsten Auflage von „Jazz an der Donau“ als Topact aufzutreten. Er genießt es vielmehr in vollen Zügen, daß sie den Jazz und seine Exponenten in Neuburg immer noch sorgsam hegen und pflegen. Die Hauptperson dankt solche Fürsorge mit spritzigen, erstaunlich modernen Exkursen zwischen groovendem Hardbop und beseeltem Swing, jeder Menge Growls, Dirty Notes sowie atemberaubender Legato-Staccato-Wechseln.

Aus den Augen blitzt der Schalk, aus seinem Flügelhorn fließen virtuose Zauberstücke ohne Unterlaß, die das Quintett mit dem lyrischen Pianisten Don Friedman, dem schnörkellosen Altsaxophonisten Dave Glasser sowie der bombensicheren Rhythmsection Marcus McLaurine (Baß) und Sylvia Cuenca (Drums) stets dezent zu garnieren weiß. Auch wenn sich das knapp 600köpfige Publikum zwischen Bier und Smalltalk nur langsam mit der subtilen Atmosphäre anfreunden konnte, unterstrich Clark Terry schon bald, was ihn von anderen „gemachten“ Stars unterscheidet: die seltene Fähigkeit, jede Performance von warmer, ehrlicher Freude über den Augenblick tragen zu lassen.

Es sind diese kleinen Momente, diese für „Mr. Mumbles“ lebensnotwendigen Kontakte zu den Zuhörern. Etwa, wenn er die Menschen als Backgroundchor bei „Bye Bye Blackbird“ einbindet, in „It Don`t Mean A Thing“ mit seinem brummelnden Sprechgesang für Heiterkeit sorgt, in „Tuxedo Junction“ gleich mit zwei Trompeten jongliert oder aber eine kleine Besucherin, die den Titel des „Flintstone“-Themas errät, auf die Bühne holt und mit ihr über deren Namen improvisiert. Welch grandioser Balanceakt zwischen herzerfrischendem Entertainment und erlesener Kunst!

Mehr als nur einen Achtungserfolg strichen im Vorprogramm von Clark Terry der Ingolstädter Gitarrist Rudi Trögl und seine Formation „Coloured Mind“ (Rainer Hasenkopf, Bass, Helmut Welser, Drums) ein. Mit leuchtenden, fließenden Soundgirlanden und intelligenten Eigenkompostionen voller Spannung betrieb das Trio trefflich Werbung für seine gerade eben erschienene Premieren-CD.