Larry Coryell Quartet | 21.03.2003

Donaukurier | Norbert Schmidl
 

Da kommt diese Gitarrenlegende auf die Bühne, setzt sich auf den Stuhl mittendrin, lässt die drei musikalischen Begleiter ein Soundgerüst aufbauen und zupft cool und relaxed die Saiten. So oder ähnlich war das ja auch zu erwarten, wenn Larry Coryell ein Konzert gibt. Doch wehe, wenn der Mann aufsteht (und das hat er ein paar Mal gemacht im Neuburger Jazzclub Birdland): Dann packt er für kurze Zeit die Rockgitarre aus und es wird einige Takte lang laut und heftig im Saal.

Dass Coryell das eine (Jazz) ebenso wie das andere (Rock) und noch vieles mehr beherrscht, steht außer Frage. Doch der Überraschungseffekt mit den scharfkantigen Riffs gelingt. Besonders wegen der musikalischen Sprünge, die der Gitarrist damit gerade während oder nach so „unverdächtigen“ Stücken wie Thelonious Monks „Trinkle Tinkle“ oder Duke Ellingtons „In a sentimental Mood“ vollzieht und die Zuhörer aus einer ebensolchen Stimmung reißt.

Doch der Meister hatte an diesem Abend offenbar beschlossen, eine – nein: fast drei Lehrstunden zu erteilen und begab sich auf eine Reise durch die Musikwelten. Jazz, Rock – ja klar. Aber auch Flamenco, Blues, Latin a la Santana und dazu die klassische Konzertgitarre: Larry Coryell hat bewiesen, dass er ein Wanderer zwischen den musikalischen Welten ist, sich in allen wohl fühlt und für jede die passende Improvisation parat hat.

Mit Buster Williams am Bass, Wolfgang Lackerschmid am Vibraphon und Paul Wertico am Schlagzeug hatte Coryell freilich auch Begleiter dabei, auf die er sich während seiner eigenen Ausflüge auf den sechs Saiten verlassen konnte, die unaufdringlich dem Frontmann zuarbeiteten, aber auch die Chancen zur Präsentation des eigenen Könnens weidlich nutzten. Besonders Wertico tat sich dabei hervor, zwischenzeitlich kleine, kurze „Trommelfeuer“ zu entfachen.

Dennoch musste Coryell aber nicht befürchten, ernsthafte Konkurrenz zu bekommen während seiner Lehrstunden. Etwas anderes fürchtete er aber nach eigenen Worten sehr wohl: dass ihn der Blitz treffen könnte wegen seiner Interpretation von George Harrisons  „Something“. Zugegeben: Wer die Beatles-Version dieses Klassikers kennt, musste schon genau hinhören, um das Stück wiederzuerkennen. Coryell hatte es in so ziemlich alle Einzelstücke zerlegt, um es dann nur äußerst bruchstückhaft wieder zusammenzusetzen. Trotzdem oder gerade deswegen war dieser Soloauftritt Coryells der Höhepunkt des Abends. Ein zerstückeltes „Etwas“, ein „Something“ der ganz anderen Art. Die verstorbene Legende Harrison hat es der lebenden Legende Coryell offenbar nicht übel genommen. Der Blitz hat an diesem Abend höchstens die Zuhörer, nicht aber den Protagonisten gestreift.