Gerard Presencer Group | 14.03.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Raus aus der Schublade, rein ins pralle Leben! So lautet die Kurzformel für das musikalische Bekenntnis eines neuen Trompetenstars am europäischen Jazzhimmel. Was die Gerard Presencer Group im Birdland Jazzclub ablieferte, ließ so manchen altgedienten Mainstream-Fan leise konsterniert den Kopf schütteln. Die meisten Zuhörer aber wippten begeistert mit den Füßen.

Er brauche einfach den Groove der Band um sich entfalten zu können, sagt er. Mit seiner Mixtur aus Jazz, Pop, Funk und Rock sorgte Gerard Presencer dafür, dass kaum ein Fuß ruhig blieb im Club. Auf teilweise – vor allem in der zweiten Hälfte des Konzerts – brillanten solistischen Höhenflügen konnte der 30jährige Engländer auf dem fliegenden Teppich aus Groove und Sounds seine Freiheit in weiten Schwüngen ausleben. Die Linienführung erreicht ihr Ziel in langgezogenen Bögen, sucht ihr Heil weder in allzu melancholischer Bläue, noch in hektischer Kraftmeierei. Der Ton variiert in der ganzen Spannbreite zwischen Miles Davis kühler Sammlung und Freddie Hubbards energetischer Attacke, weich, geschmeidig, elastisch, voll Feuer und Entschlossenheit. Auf die Prozente komme es an im Schmelztiegel seiner Musik, meint er. Offenheit ist dem Professor an der Hanns-Eisler-Musikhochschule in Berlin ebenso wichtig wie dem Direktor der Jazzabteilung der Royal Academy Of Music. Trotz der fürsorglichen Vorwarnung an die Jazzpolizei bietet das Quartet um den Rising Star astreinen Jazz, holt seine Inspiration deutlich aus dem Bebop. Das wird durch Fender Rhodes und Keyboards ebenso wenig relativiert wie durch den den E-Bass und die funky Grooves vom Schlagzeug. Presencer möchte Musik machen für die Menschen unserer Tage, will die Klänge nicht schubladisiert sehen, sondern im Dienst der Vermittlung seiner musikalischen Ideenfülle. Er ist allemal ein phantasiereicher Improvisateur auf dem Hintergrund der Sounds, die London und Berlin mehr und mehr bewegen, die auch das Beste aus den 70ern flugs ins neue Jahrtausend beamen.
Jeder Überflieger braucht seine Basisstation. Die bieten zwei Jungspunde und ein Weggefährte, Rob Taggert an den Keyboards, Robin Mullakey am Bass und Chris Dagley am Schlagzeug mit packender Kohärenz und zunehmendem Freischwimmer. Neue Besen kehren gut. Die Jazzpolizei war schließlich vorgewarnt.