Larry Coryell – Nachruf | 04.02.2017

Augsburger Allgemeine | Reinhard Köchl
 

Was wäre gewesen, wenn . . .? Ja, wenn Larry Coryell die Finger von Drogen und Alkohol gelassen hätte. Eine dumme, kindische, naive und verhängnisvolle Entscheidung, aus damaliger Sicht aber irgendwie nachvollziehbar. „Alle meine Helden – allen voran Charlie Parker – nahmen Drogen. Deshalb glaubte ich, ich müsste das auch tun“, sagte er in einem Interview im vergangenen Jahr. „Ich glaubte, ich würde damit den Jazz besser verstehen. Alles Unsinn. Aber als ich das erkannt habe, war es schon zu spät.“

Es gibt nicht wenige, die dem Gitarristen eine noch größere Karriere als John McLaughlin oder Paco DeLucia, Al DiMeola oder Pat Metheny zugetraut hätten. Denn Talent hatte der Kerl im Übermaß. Und eine wahnwitzige Idee. Als der gebürtige Texaner nach einem Journalismus-Studium mit Anfang Zwanzig nach New York kam, da überfluteten ihn sowohl der Jazz traditioneller Bauart wie auch die Pop- und Rockstars jener Ära. Es waren zwei feindlich gegenüberstehende Pole. Hier Ellington und Coltrane, da Beatles, Byrds und Dylan. Aber Coryell dachte sich: Das könnte eigentlich ganz gut zusammen funktionieren. Also probierte er es aus und vermengte Rock-Grooves, orientalische oder östliche Musik, Klassik und Freejazz zum sogenannten Fusion Jazz. Erst mit seiner Band „Free Spirits“, dann mit Miles Davis, Gary Burton, Chick Corea, Alphonse Mouzon, Billy Cobham, Chet Baker, Jimi Hendrix und schließlich mit „Eleventh House“, einer Fusion-Supergroup. Die Alben „Coryell“ und „Spaces“ von 1969 gelten heute als wegweisende Meilensteine des Genres, die ihm Beinamen wie „der Pate des Jazzrock“ oder „Godfather of Fusion“ einbrachten.

Doch erst im Laufe der Nullerjahre wurde klar, welchen Stellenwert Coryells Musikrevolution besaß. Post-Hip-Hop-Künstler wie Flying Lotus entdeckten diese Spielart für sich. Der Saitenhexer, längst zum Buddhismus konvertiert, clean und trocken, gefiel sich in seiner Rolle als Elder Statesman und erweckte sogar seinen Lebenstraum „Eleventh House“ wieder zum Leben. Erst im vergangenen November brachte er mit dem Ensemble bei einem furiosen Konzert die Mauern des altehrwürdigen Birdlands in Neuburg zu beben. Sein Gitarrenspiel ist auf über 100 Alben verewigt. Unermüdlich tourte Larry Coryell, noch am vergangenen Wochenende absolvierte er zwei Auftritte im New Yorker Iridium Jazz Club. In der Nacht zu Montag verstarb er in seinem Hotelzimmer im Schlaf im Alter von 73 Jahren eines natürlichen Todes.