Landes-Jugendjazzorchester Bayern | 07.07.1996

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

(Tag unbekannt)

Ein ungewöhnlicher Rahmen, ein seltenes Auditorium und ein keinesfalls alltäglicher Anlaß; die Voraussetzungen für dieses „besondere“ Jazzkonzert hätten extremer kaum sein können. Zum ersten Mal gastierte nämlich am Mittwoch das Landes-Jugendjazzorchester Bayern (LJJB) in Neuburg. Ort: der Kongregationssaal, ansonsten stimmungsvoller Aufführungsort der Barockkonzerte. Das Publikum: ausschließlich Schüler aus Neuburg und dem Landkreis. Und der Grund: musikinteressierte Jugendliche sollten den ganz besonderen Reiz des Swing und des Blues einmal hautnah erleben können.

Am späten Vormittag, also zu einer für die „Nachtmusik“ Jazz mehr als ungastlichen Zeit, fetzten satte Bläserriffs, elegische Drumsoli und temperamentvolle Klavierläufe durch den bis auf den letzten Platz besetzten Kongregationssaal. Dieser Umstand war in erster Linie auf das immense Interesse der Neuburger Paul-Winter-Knabelrealschule und ihres Fachlehrers Reinhard Reißner zurückzuführen, die mit fast 260 (!) Schülern den Löwenanteil des Publikums aufboten. Einige andere weiterführende Schulen zeigten sich dagegen weniger kooperativ und untersagten den jeweiligen Musikpädagogen die Teilnahme ihrer Schützlinge während der Unterrichtszeit. Dies verwundert schon alleine deshalb, weil das Landes-Jugendjazzorchester auf Anregung des Bayerischen Kultusministeriums ins Leben gerufen wurde, eine absolute Pilotfunktion im Freistaat einnimmt und vorrangig als Schulungsobjekt des Nachwuchses im Bereich „moderne Musik“ dient.

Das von dem in der Ottheinrichstadt überaus populären Schlagzeuger Harald Rüschenbaum („Neuburg ist mitlerweile die Jazzstadt in Bayern!“) geleitete LJJB umfaßt herausragende bayerische Jazzmusiker im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, um ihnen eine fundierte Ausbildung im komplizierten und in der „freien“ Musikwelt nur schwer zugänglichen, weil kostspieligen Orchestergenre zu ermöglichen. Dabei sollen mit einem breit gefächerten Repertoire vom klassischen Swing bis zum kernigen Jazzrock alle Bereiche dieser populären Musikgattung berührt werden. Die straffe Disziplin beim Erlernen eines komplizierten Bläsersatzes oder eines ausgefeilten Bigband-Sounds zählt ebenso zu den Lernzielen, wie die Förderung der individuellen Fähigkeiten, beispielsweise bei improvisatorischen Sololeistungen.

Obwohl sich Rüschenbaums Eleven nur drei bis viermal jährlich etwa acht Tage lang zu Proben und Konzerten treffen, ragt ihr Leistungsstandart schon weit über den anderer, auch professioneller Klangkörper hinaus. In Neuburg legte der Orchesterleiter die Latte für seine jungen Musiker ganz besonders hoch. Mit einem für die doch noch recht jungen Zuhörer vielleicht etwas zu anspruchsvollen Programm wollte er den „Kids“ beweisen, daß sich Jazz durchaus mit dem gängigen Hitparadengroove messen kann. Thad Jones` „Groove Merchant“ als Intro folgte die kurzweilige und doch didaktische Erläuterung der einzelnen Bigbandelemente wie Rhythmsection, Sax-Satz, Trompeter oder Posaunen. Rüschenbaum: „Alles zusammen gibt dann mächtig Dampf.“

Am meisten Applaus gab es für die brummenden Saxophone in „Cruisin` for a Bluesin`“, das Drumsolo in „Sail in a Tin“ und die Sangeseinlage der kompletten Bläsersection in „All of me“. Auch wenn der Geräuschpegel auf den Sitzplätzen zum Ende der eineinhalbstündigen Darbietung merklich anschwoll, werteten Harald Rüschenbaum und die anwesenden Lehrkräfte das Debütkonzert des LJJB doch als vollen Erfolg, der nach beider Wunsch keine Eintagsfliege bleiben soll.