Jeff Hamilton Trio | 17.05.1996

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Die Früchte der Bemühungen um die Melodisierung des Jazz-Schlagzeugs tragen einen gemeinsamen Namen: Hamilton. Es mag Zufall sein oder vielleicht sogar Bestimmung, daß Chico Hamilton und Jeff Hamilton einst ihr Drumset aus dem Dunstkreis der bloßen Rhythmusarbeit befreiten und es inzwischen zum vollwertigen Musikinstrument erhoben haben. Nun gibt es noch eine weitere Gemeinsamkeit: hätte das Publikum die Möglichkeit, eine clubinterne Schlagzeug-Rangliste aufzustellen, lägen Chico und Jeff spätestens seit vergangenen Freitag ganz weit vorne.

Der eine, 75 Jahre, schwarz, aus Los Angeles, verzauberte im Mai 1994 das staunende Auditorium mit seinen filigranen Kapriolen, der andere, 43 Jahre, weiß, aus Richmond/Indiana, tat es ihm beinahe auf den Tag genau zwei Jahre später an selber Stelle gleich. Dabei trennen Chico Hamilton und Jeff Hamilton im Prinzip Welten. Während sich der Ältere nämlich zunehmend freieren Musikformen öffnet und im unendlichen Kosmos der Klänge nach neuen Abenteuern forscht, setzt der Jüngere auf Bodenhaftung. Swing, Bebop und jede Menge Blues lauten die simplen Ingredenzien, aus denen Jeff Hamilton und sein Trio ein höllisches Gebräu mit durchschlagender Wirkung anrühren.

Denn auf die Mischung kommt es an, vor allem, wenn ein Schlagzeuger am Steuerknüppel eines Ensembles sitzt. Während andere, wie Charly Antolini mit ihrer „Haut-den-Lukas“-Mentalität jegliche Kreativität im Ansatz niederprügeln, läßt Jeff Hamilton seinen beiden Mitstreitern Larry Fuller am Piano und Lynn Seaton am Baß genügend Entfaltungsmöglichkeiten. Dies kommt dem Gesamteindruck einer befreit aufspielenden, gut gelaunten Band zugute, unterstreicht aber auch die gewaltigen Fähigkeiten des Leaders, der zu jeder Phase als gleichberechtigter von drei brillanten Musikern agieren kann.

Der bärtige, kraushaarige Hamilton unterstrich dies gleich zu Anfang des ersten Sets kurioserweise mit einem Drum-Solo über den Ellington-Tiziol-Klassiker „Caravan“. Was zunächst wie ein nervöses Rhythmusgewirr anmutete, entfaltete sich schnell zu einer durchhörbaren Melodie, für deren Umsetzung der Amerikaner tief in die Trickkiste der Perkussion griff: da wurden die Felle mit dem Besen gewienert, gebürstet, gekratzt, geschabt, die Sticks klopften an den Metallrand und schließlich rieb er sich die Hände im flirrenden Sechsachtel-Takt wie nach einem delikaten Mahl.

Der Phantasie sind scheinbar keine Grenzen gesetzt, und dennoch produziert sich Jeff Hamilton nie als billiger Zirkusclown, sondern stellt sein Gespür für das Machbare immer in den Dienst des Themas. Frappierend, wie seine zwei Hände und zwei Beine vier verschiedene Rhythmen erzeugen und so auch die Kollegen zu Höchstleistungen anspornen. Der 30jährige Pianist Fuller hinterließ einen glänzenden Eindruck als schweißtreibender Zeichner kunstvoller Blueslinien und tiefdunkler Balladentupfer (traumhaft erhaben: Bernsteins „Somewhere“), während der wieselflinke Bassist Seaton trotz seiner offenkundigen Liebe zum Arco-Spiel um einen satten Groove zur rechten Zeit nie verlegen war.

Die märchenhafte, begeistert vom Publikum begleitete Reise einer kleinen Schlagzeug-Band durch die große Welt des Jazz-Realbooks („52nd Street Thing“, „But not for me“, „Yesterdays“, „Well you needn`t“), bei welcher sogar ein einfacher Blues-Marsch zum Kleinod geriet, drängte einmal mehr die Richtigkeit einer alten Weisheit Chico Hamiltons auf. Der sagte einst, daß man ein Drumset wie ein Frau zu behandeln habe: nicht schlagen, sondern streicheln. Jeff Hamilton beherzigt diesen Grundsatz heute nachhaltiger denn je.